Mittwoch, 14. Juni 2017

Elektrische Muskelstimulation reduziert Nervenschmerzen bei Diabetes

Mit einer elektrischen Muskelstimulation (EMS) an den Oberschenkeln lassen sich die Nervenschmerzen von Diabetes-Patienten reduzieren. Dabei werden offensichtlich Stammzellen im Blut vermehrt zu Epithelvorläuferzellen umgewandelt, die so jene Schäden an den Gefäßwänden kleinster Blutgefäße reparieren können, die die Nervenschmerzen einer diabetischen Neurophatie verursachen.

 

 

 

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Peter Paul Nawroth
Eine aktuelle Studie von Forschern aus Heidelberg untersuchte jetzt im Blut zirkulierende hämatopoetische Stammzellen nach mehrmaligen EMS-Behandlungen. Denn die beeinträchtigte Funktion dieser Stammzellen und deren Subpopulation, die sogenannten endothelialen Vorläuferzellen (EPC), wurde von Forschern mit der diabetischen Neuropathie in Verbindung gebracht. Denn diese sind zuständig für die Reparatur und den Neuaufbau von Blutgefäßen.


Vierundzwanzig Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie wurden dreimal mit EMS über einen Zeitraum von einer Woche behandelt. Die Forscher nahmen vor und nach der ersten EMS-Behandlung Blutproben. Vor einer vierten Behandlung wurden die neuropathischen Schmerzen bewertet und eine dritte Blutprobe genommen. Die Zellen wurden mittels einer Durchflusszytometrie diagostiziert.

Die Patienten berichteten, dass der Schmerz nach dreimaliger einstündiger Behandelung mit EMS sank (von Schmerzpegel 8 auf 6, der Neuropathie-Funktionsstörungs-Pegel von 5,5 auf 5). Am Ende der Studie war der diastolische Blutdruck von 80 auf 70 gefallen und die Konzentrationen von Stresshormonen, wie die Adrenalin- und Noradrenalinmetaboliten Metanephrin und Normetanephrin, verringert.

Eine einzelne EMS-Behandlung führte zu einer sofortigen und vorübergehenden Abnahme der Häufigkeit von CD34+-Zellen im Blutstrom (-20%). Bei 9 der Patienten mit diabetischer Neuropathie erhöhte sich der Anteil der Stammzellen, die den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (VEGFR2) trugen, der diese hämatopoetischen Stammzellen als endotheliale Vorläuferzellen ausweisen, um 36% nach der EMS-Behandlung. Die Konzentrationen der Proteine, die an der Bindung dieser Vorläuferzellen an die Gefäßwand beteiligt sind, waren unmittelbar nach der EMS-Behandlung erhöht.

Eine erhöhte Häufigkeit der oben erwähnten VEGFR2 wurde auch auf hämatopoetischen Stammzellen von sechs gesunden Kontroll-Freiwilligen (34%) nach EMS-Behandlung beobachtet, nicht aber nach einer Scheinbehandlung.

Ergebnis: Drei EMS-Behandlungen können die Symptome von Schmerzen bei diabetischer Neuropathie reduzieren, und sie reduzierten gleichzeitig den diastolischen Blutdruck und Stresshormone, was auf eine Reduktion des empfunden Stress hindeutet. Schon eine einzelne EMS-Behandlung erhöhte zusätzlich Moleküle, die die Anhaftung an die Gefäßwand und die Differenzierung der Oberfläche der Stammzellen im Blut vermitteln.

Die Forscher vermuten, dass die EMS-induzierte Zunahme dieser Oberflächenrezeptoren der Stammzellen diese dazu veranlassen, den Blutkreislauf zu verlassen und am Ort der Gefäßschäden einwandern. Die Funktion dieser hämatopoetischen Stammzellen und epithelialen Vorläuferzellen in vivo (im Körper) war damit nach EMS-Therapie verbessert.

Die sensorische diabetische Neuropathie ist eine häufige späte Komplikation bei Diabetes, die bei etwa 30% der Menschen mit Diabetes einen Verlust an Gefühlen in den Gliedmaßen oder neuropathische Schmerzen verursacht. Damit ist sie eine der häufigsten Komplikationen bei Diabetes. Die Strategien zur Behandlung und Prävention dieser Erkrankung, einschließlich der Senkung der Blutzuckerwerte, erweisen sich als ineffizient, besonders bei Patienten mit Typ-2-Diabetes.

Verursacht werden die Gefäßschäden durch die Kombination von reaktiven Sauerstoffspezies, Entzündungen und toxischen Abbauprodukten im Körper, die im diabetischen Zustand erhöht sind.

Die im Blut zirkulierenden hämatopoetischen Stammzellen aus dem Knochenmark können in Leberzellen, Hautzellen, Herzmuskelzellen, glatte Muskelzellen oder Endothelzellen (verantwortlich für alle Trennflächen im Innern des Körpers, wie etwa die Gefäßwände oder die Darmwand) differenzieren. Die Differenzierung in Endothelzellen ist mit der Hochregulierung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktorrezeptors 2 (VEGFR2) (s.o.) assoziiert.

Hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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