Montag, 26. Juni 2017

Handschuhe – die Feigenblätter der Krankenhaushygiene?

Dass schon das Tragen von Handschuhen im medizinischen Bereich eine ausreichende Hygienemaßnahme ist, hat sich inzwischen als Märchen erwiesen. Denn auch diese Handschuhe müssen zwischen den einzelnen Aktivitäten am Menschen regelkonform desinfiziert werden, sonst kommt es zwangsläufig zu Infektionen. Wir wissen das – spätestens wenn die Fleischfachverkäuferin mit derselben behandschuhten Hand, mit der sie uns gerade den Kochschinken aufgeschnitten hat, nun lustig im Wechselgeld wühlt. Und medizinisches Fachpersonal weiß das auch. (Hält sich aber nicht dran.)

Die meisten Handhygiene-Richtlinien empfehlen, dass Handschuhe während der Patientenversorgung gewechselt werden sollten, wenn eine Indikation zur Handdesinfektion angezeigt ist. Beobachtungsstudien haben aber gezeigt, dass die Mehrheit der Mitarbeiter im Gesundheitswesen sich ihre Hände, so sie Handschuhe tragen, überhaupt nicht desinfizieren.

Prof. Dr. Günter Kampf
Das Ziel eines Reviews von Forschern aus Hamburg, Greifswald und Aachen war es jetzt, die potenziellen Vorteile und Risiken der Desinfektion von behandschuhten Händen während der Versorgung ein und desselben Patienten mittels mehrerer Aktivitäten, die die Nutzung von Handschuhen vorschreiben, aufzuzeigen. Speziell in der Anästhesie oder in Unfall- und Notdiensten, wo es viele Indikationen in kurzer Zeit gibt, kommt es dann schnell dazu, dass selbst aseptische Verfahren – beispielsweise zur Desinfektion von Wunden – mit kontaminierten Handschuhen durchgeführt werden.

Darüber hinaus werden die Hand-Hygiene-Maßnahmen oft lascher gehandhabt, wenn Handschuhe getragen werden.

Bisher haben drei unabhängige Studien gezeigt, dass eine Dekontamination mindestens so wirksam auf Handschuhen wie auf bloßen Händen ist und dass bei bis zu 10 Desinfektionsvorgängen die Dichtigkeit der Handschuhe dabei in der Regel nicht leidet.

Eine weitere Studie in einer Neugeborenen-Intensivstation zeigte ferner, dass die Desinfektion von Handschuhen während der Pflege derselben Patienten zu einer signifikanten Verringerung von Fällen der Spätsepsis, eine Infektion, die erst etwa nach sechs Tagen nach der Geburt auftritt, und der nekrotisierenden Enterokolitis, eine entzündliche Darmerkrankung, führte.

Die Forscher schließen daraus, dass die Desinfektion von Handschuhen (von behandschuhten Händen) das Übertragungsrisiko dann erheblich reduzieren kann, wenn Handschuhe für die gesamte Behandlungssituation vorgeschrieben sind, und diese sich über mehrere Aktivitäten am selben Patienten erstreckt.

Hiergeht es zur Originalveröffentlichung

 

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