Mittwoch, 6. Juni 2018

Lebensgefährliches Facebook: In Echokammern verblöden wir zu tumpfen Impf-Gegnern

Dass ganz allgemein gilt, dass wir gerne nur das zur Kenntnis nehmen, was unsere Glaubenssätze bestätigt und verfestigt, ist in der Wissenschaft inzwischen unstrittig. Dass Facebook daraus sein Geschäftsmodell ableitet und uns nur noch präsentiert, was wir hören und sehen wollen, beschleunigt diesen Prozess zusätzlich. Auch Informationen über Impfungen ereilt in Facebook dieses Schicksal: Die positiven Aspekte von Impfungen landen bei den Impfbefürwortern, Infos über die möglichen Gefahren bei den eingefleischten Impfgegnern. Und munter erkranken und sterben draußen im wahren Leben wieder die Säuglinge und Kinder an läppischen Kinderkrankheiten.

Das Verweigern von Impfstoffen wurde inzwischen als eine der größten globalen Gesundheitsbedrohungen erkannt. Als möglicher Einfluss auf das Anwachsen von Anti-Impfgruppen wurde der freie Zugang zu jeglicher Art von Information in sozialen Medien postuliert.

Neuere Studien zu anderen Themen als das Thema „Impfung“ zeigen, dass der Zugang zu einer großen Menge von Inhalten über das Internet ohne Vermittler zu einer größeren Trennung der Nutzer in polarisierte Gruppen führt. Denn Benutzer wählen offensichtlich besonders jene Informationen aus, die ihrem Glaubenssystem entsprechen, und neigen dazu, abweichende Informationen zu ignorieren.

Prof. Dr. Cornelia Betsch
Ziel einer aktuellen Studie, an der auch deutsche Forscher beteiligt waren, war es zu beurteilen, ob sich die Einstellungen der Nutzer zum Thema Impfung auf Facebook zunehmend polarisieren und wie sich diese Polarisierung im Laufe der Zeit entwickelt.

Die Forscher führten dazu eine gründliche quantitative Analyse durch, indem sie die Interaktion von 2,6 Millionen Nutzern mit 298.018 Facebook-Posts über einen Zeitraum von sieben Jahren und fünf Monaten untersuchten. Sie verwendeten dazu Community-Erkennungsalgorithmen, um automatisch das Auftauchen von Communities zu ermitteln, die für die Aktivität der Benutzer auf den Seiten verantwortlich waren. Außerdem haben die Forscher die Kohärenz dieser Gemeinschaften im Laufe der Zeit quantifiziert.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass der Konsum von Inhalten über Impfstoffe vom Echo-Kammer-Effekt dominiert wurde und dass die Polarisierung im Laufe der Jahre zugenommen hat. Gut voneinander getrennte Gemeinschaften entstehen so aus den Konsumgewohnheiten der Nutzer, das heißt, die Mehrheit der Nutzer konsumieren Informationen entweder „für“ oder „gegen“ Impfstoffe, aber nicht gleichzeitig beides.

Fazit

Die Existenz von Echokammern könnte erklären, warum Social-Media-Kampagnen, die genaue Informationen liefern, nur eine begrenzte Reichweite haben und nur in Untergruppen wirksam sind, was sogar zu einer weiteren Polarisierung der Meinungen führt. Die Einführung von abweichenden Informationen in eine Untergruppe wird dabei einfach ignoriert oder kann sogar einen Rückzündungseffekt erzeugen, wodurch die bereits bestehenden Meinungen innerhalb der Untergruppe noch verstärkt werden.

Angehörige der Gesundheitsberufe sollten deshalb versuchen, den Inhalt dieser Echokammern zu verstehen, indem sie sich beispielsweise passiv an solchen Gruppen beteiligen. Nur dann wird es möglich sein, effektive Wege zu finden, Anti-Impf-Denken zu bekämpfen.

Hier und hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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