Dienstag, 25. April 2017

Psychotherapie löst Probleme - erzeugt aber auch oft Probleme

Psychotherapie kann manchmal nicht nur nicht funktionieren, sie kann sogar negative Folgen haben. Diese sind abhängig von der Erwartungshaltung des Patienten, aber auch von der medizinischen Einrichtung, in der sie erteilt wird.

Studien, die in der Vergangenheit die möglichen negativen Auswirkungen einer Psychotherapie erforscht haben, sind selten, und ihre Ergebnisse sehr uneinheitlich. Dabei wäre ein tieferes Verständnis dieser Effekte eine Grundvoraussetzung für das Erfassen einer adäquaten Kosten-Nutzen-Rechnung dieser Therapieform.

Forscher aus Marburg haben deshalb jetzt in einer aktuellen Studie untersucht, ob unterschiedliche Behandlungssituationen zu unterschiedlich hohen negativen Effekten führen würden: Wenn etwa Patienten eines psychiatrischen Krankenhauses (n = 93) mit denen einer psychosomatischen Rehabilitations-Klinik (n = 63) verglichen werden.

Um festzustellen, ob die Erwartungen der Patienten vor der Behandlung Einfluss auf die von ihnen berichteten negativen Effekte hatten, mussten sie einen entsprechenden Fragebogen ausfüllen. Dabei konnten mehrere negative Effekte der Behandlung angeführt werden.

Resultat: Patienten aus der psychiatrischen Klinik berichteten durchschnittlich von 1,41 negativen Effekten, wobei 58.7% der Patienten sich mindestens über eine negative Auswirkung der Psychotherapie beklagten.

Patienten der psychosomatischen Rehabilittationsklinik berichtet hingegen nur von 0,76 negativen Auswirkungen ihrer Behandlung. Im Durchschnitt berichteten hier 45.2% der Patienten von mindestens einer negativen Auswirkung.

Der Unterschiede zwischen diesen beiden Probandengruppen war damit wissenschaftlich signifikant.

Die "Top 3"-Probleme beider Gruppen waren folgende:

  • die Patienten erlebten mehr Downs während oder kurz vor dem Ende der Therapie
  • die Patienten hatten Mühe, wichtige Entscheidungen ohne die Hilfe ihres Therapeuten zu treffen
  • Patienten waren darüber besorgt, dass Kollegen oder Freunde herausfinden könnten, dass sie in (psychiatrischer) Behandlung waren
Eine Regressionsanalyse ergab, dass die klinische Einrichtung (Psychosomatische Rehabilitationklinik versus Psychiatrische Klinik) und die hoffnungsvollen Erwartungen auf Verbesserung ihrer Situation wesentliche Prädiktoren für ihre negativen Einschätzungen der Psychotherapie waren.

Die Studie zeigte damit die Notwendigkeit auf, die negativen Auswirkungen einer psychotherapeutischen Behandlung in verschiedenen klinischen Einrichtungen und Behandlungssituationen zu untersuchen, um das Nutzen-Kosten-Verhältnis dieser Behandlungen von verschiedenen Patientengruppen besser beurteilen zu können. Es zeige auch, dass es Richtlinien für die Beurteilung und Berichterstattung solcher negativer Effekte geben muss.

Hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

Foto: Auch die Art der klinischen Einrichtung entscheidet über die "erlebte" Qualität einer Psychotherapie. Quelle: Gemen64 / pixelio.de

 

 

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