Mittwoch, 16. August 2017

Fairtrade oder Ökoanbau: Kleinbauern profitieren unterschiedlich von Produzentenorganisationen mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitsstandards

"Fairer Handel" und "Ökologischer Anbau" sind die zwei der etwa fünf großen Organisationsformen, die Kleinbauern in aller Welt zu einem höheren und geregelten Einkommen verhelfen wollen. Den Verbraucher könnte dabei folgendes interessieren: Während "Fairtrade" vorwiegend zu Verbesserungen der Bauernhaushalte im Non-Food-Bereich – wie etwa Schulausbildung der Kinder – führt, erhöht der "Ökologische Anbau" vor allem die Ernährungssituation der Bauernfamilien.

Dr. Eva-Marie Meemken
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsstandards im kleinen Agrarsektor wachsen. Forscher aus Göttingen und Washington haben zu diesen Erkenntnissen nun neue beigetragen: Sie haben die Auswirkungen zweier populärer Nachhaltigkeitsstandards, nämlich "Biologischer Anbau" und "Fairtrade (Fairer Handel)", auf die Haushaltssituation teilnehmender Bauernfamilien in Uganda verglichen. Dabei haben sie erstmals verschiedene Indikatoren, wie Konsumausgaben, Kindererziehung und Ernährung, betrachtet.

Es gibt heute über 200 nachhaltigkeitsorientierte Standards. In der Kaffeebranche sind die 4C-Association, Fairtrade, Bio-Siegel, Rainforest Alliance und UTZ die beliebtesten. So waren rund 30% des weltweiten Kaffeeproduktionsgebietes im Rahmen eines dieser fünf Standards im Jahr 2013 zertifiziert. In ihrer aktuellen Studie konzentrierten sich die Forscher auf die beiden Standards Fairtrade und Bioanbau.

Fairtrade:

Rund 1,5 Millionen Kleinbauern in den Entwicklungsländern sind Mitglieder von Produzentenorganisationen, die von Fairtrade International zertifiziert sind. Mehr als 50% dieser Landwirte sind Kaffeeproduzenten.

Die Hauptmerkmale des Fairtrade-Standards für Kleinbauern-Organisationen sind der Fairtrade-Mindestpreis und die Fairtrade-Prämie. Der Fairtrade-Mindestpreis wird relevant, wenn der Weltmarktpreis unter einen bestimmten Schwellenwert fällt. Die Fairtrade-Prämie ist ein zusätzlicher Geldbetrag für zertifizierte Landwirtschaftsorganisationen als Anreiz zur fortgesetzten Teilnahme.

Im Jahr 2014 erhielten Fairtrade-Bauern-Organisationen eine durchschnittliche Prämie von etwa 10.000 US-Dollar, was etwa 70 Dollar pro Mitglied entspricht. Die Organisationen investieren die Prämie in der Regel in landwirtschaftliche oder Marketing-Einrichtungen, in die Kapazitätsentwicklung und in andere wirtschaftliche Dienstleistungen für ihre Mitglieder. Etwa 10% der Fairtrade-Prämie werden für soziale Gemeinschaftsprojekte, wie Investitionen in Gesundheit und Bildung, eingesetzt.

Fairtrade-Landwirtschafts-Organisationen sind verpflichtet, bestimmte soziale Prinzipien, wie Nichtdiskriminierung, Gesundheit und Arbeitssicherheit sowie das Verbot der Kinderarbeit, zu respektieren und zu fördern. Kinder unter 18 Jahren dürfen nicht in ausbeuterische oder gefährliche Arbeiten eingebunden werden. Weiterhin dürfen Kinder unter 15 Jahren nicht von Fairtrade-Bauernorganisationen beschäftigt werden und dürfen nicht auf Bauernhöfen arbeiten, außer in Zeiten nach der Schule oder während der Ferien. Während Fairtrade demnach in erster Linie auf soziale und ökonomische Prinzipien fokussiert, fördert der Standard aber auch bestimmte landwirtschaftliche Praktiken zum Schutz der Umwelt, wie z. B. integrierte Schädlingsbekämpfung und Bodenschutzmaßnahmen.

Biologischer Anbau:

Weltweit sind etwa 2,3 Millionen landwirtschaftliche Produzenten in 172 Ländern unter diesem Standard zertifiziert. Der größte Anteil dieser Produzenten (86%) lebt in Entwicklungsländern. Es gibt verschiedene Bio-Standards, die meisten folgen den Regeln des Internationalen Verbandes der organischen Landwirtschaftsbewegungen (IFOAM ; International Federation of Organic Agriculture Movements).

Die ökologische Landwirtschaft basiert auf den Grundsätzen der Gesundheit, Ökologie, Fairness und Pflege. Während IFOAM auch bestimmte soziale und ökonomische Ziele fördert, konzentrieren sich die Zertifizierungsanforderungen vor allem auf Umweltfragen. Die Anwendung von chemischen Pestiziden und synthetischen Düngern ist verboten. Weiterhin werden die Landwirte ausgebildet, um landwirtschaftliche Praktiken einzusetzen, die die Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffkreisläufe verbessern, wie z. B. Mischkultur, Fruchtfolge, Hülsenfruchtanbau und die Verwendung von organischen Düngern. Im Gegensatz zu Fairtrade ist die Bio-Zertifizierung nicht mit einer garantierten Preisprämie verbunden. Die Erwartung ist, dass der Markt die Landwirte für die Einhaltung der organischen Grundsätze belohnen wird.

Vor kurzem hat die ugandische Regierung die Beteiligung von Landwirten an Kaffeezertifizierungssystemen gefördert – mit der Absicht, den Wert der Exporte zu erhöhen. Die Nationale Kaffee-Export-Strategie hat sich zum Ziel gesetzt, die Menge an zertifiziertem Kaffee jährlich um 5% zu erhöhen. Uganda hat inzwischen wohl das größte Bio-zertifizierte Gebiet und die größte Anzahl ökologischer Produzenten unter allen Ländern Afrikas. Bio-Kaffee wird auf etwa 6% der Gesamtfläche von Uganda angebaut. Auch die Zahl der Fairtrade-zertifizierten Landwirte hat in den letzten Jahren zugenommen. Derzeit sind rund 55.000 Landwirte und Arbeiter unter dem Siegel Fairtrade in Uganda zertifiziert, die meisten davon im Kaffeebereich.

Im Einklang mit früheren Forschungen haben die Göttinger Forscher gezeigt, dass Fairtrade und Bio-Zertifizierung positive Wohlstandseffekte im Hinblick auf den Gesamtkonsum der Haushalte der organisierten Kleinbauern haben.

Im Hinblick auf die anderen Wohlfahrtsindikatoren fanden die Forscher jedoch bemerkenswerte Unterschiede:

Fairtrade erhöht vor allem die Non-Food-Ausgaben und die Kindererziehung, während Biologischer Anbau vor allem die Nahrungsmittelausgaben der Bauernfamilien erhöht – und zu einem gewissen Grad damit auch die Ernährungssituation.

Die Forscher fanden keine Auswirkungen von Fairtrade auf die Nahrungsmittelausgaben und die Ernährung der Bauernfamilien.

Der organisierte Biologische Anbau hingegen zeigte keine zusätzliche Ausgaben für Non-Food-Ausgaben und Ausgaben für Kindererziehung.

Diese Unterschiede in den Auswirkungen erklärten die Wissenschaftler mit Unterschieden in den Grundsätzen der einzelnen Standards und verschiedenen Arten von angebotenen Dienstleistungen für zertifizierte Haushalte.

Solche Einsichten sollten nicht nur für die Produzenten relevant sein, sondern auch für die Verbraucher und die anderen Akteure in der zertifizierten Wertschöpfungsketten.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass Lebensmittelstandards ein Instrument zur Förderung von Nachhaltigkeitszielen auf dem Kleinbauernhof sein können: Einerseits können gesetzte Normen zu höheren Haushaltseinkommen beitragen. Auf der anderen Seite – durch Schulungen und empfohlene Praktiken –haben Standards auch das Potenzial, das Bewusstsein für Fragen wie Bildung, Ernährung oder Gleichstellung der Geschlechter zu sensibilisieren.

Voraussetzung ist, dass solche gesellschaftlichen Fragen in Zertifizierungsplänen gezielt angesprochen werden.

Fairtrade umfasst spezifische Regeln und Aktivitäten zur Verringerung der Kinderarbeit und zur Verbesserung der Bildung, aber nicht zur Verbesserung der Ernährung. Bei weit verbreiteten Ernährungsmängeln bei Kleinbauern sollte die Gestaltung der Nachhaltigkeitsstandards stärker auf die Ernährung ausgerichtet sein. Zertifizierungsstellen könnten die teilnehmenden Landwirtschafts-Organisationen dazu veranlassen, eine Ausbildung zur Ernährung anzubieten – wie es bereits für andere Themen wie die Umweltsteuerung üblich ist.

Im Allgemeinen zeigt die Studie, dass wirtschaftliche Gewinne aus landwirtschaftlichen Entwicklungsinterventionen nicht notwendigerweise auf andere Wohlfahrtsfaktoren wie Kindererziehung und Ernährung durchschlagen. Die Analyse von Wohlfahrtseffekten über rein ökonomische Indikatoren hinaus ist deshalb von besonderer Bedeutung für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.

Die in dieser Studie vorgeschlagenen und verwendeten analytischen Ansätze können weiter verfeinert und möglicherweise auch für die Bewertung anderer Arten von ländlichen Entwicklungsprojekten und -politiken verwendet werden.

Hier geht es zur Originalveröffentlichung, die als "Open Access" öffentlich zugänglich ist.

 

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