Dienstag, 12. September 2017

Haare: ein Archiv für psychosomatische Belastungen

Körperliche Beschwerden, hervorgerufen durch psychische Belastungen, könnten künftig auch in den Haaren der Patienten nachgewiesen werden, wobei die Konzentrationen von dort abgelagerten Verbindungen tiefe Einblicke in jene Bereiche von Gehirn und Gentik gewähren, die Stress entstehen lassen und manifestieren.

Um pathogene Stress-Effekte untersuchen zu können, ist es von großer Bedeutung, einfache Zugangsparameter für die nicht-invasive Analyse der biologischen Veränderungen in Reaktion auf diesen Stress zu definieren. Haarproben bieten diesen Zugang. Mit ihnen lassen sich Veränderungen in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, dem Reaktionsweg von Stress schlechthin, erkennen.

In einer aktuellen Studie haben nun Forscher aus Marburg, Gießen und Berlin die entsprechenden epigenetischen Veränderungen eines der fünf Neurotrophine, der "vom Gehirn stammende neurotrophische Faktor" (BDNF = brain-derived neurotrophic factor) und dessen Speicherung im Haar gemessen, die für die Funktion des autonomen Nervensystems und die psychische Gesundheit wesentlich sind.

In drei unabhängigen Studien an gesunden akademischen Freiwilligen

  • Studie I: Deutsche Studierende, N = 36
  • Studie II: Deutsche Akademischer, N = 28
  • Studie III: Mexikanische Studenten, N = 115
wurde die BDNF-Protein-Expression oder die BDNF-Gen-Histon-Acetylierung bestimmt. Gleichzeitig wurden die psychischen Beschwerden und die mit diesen assoziierten somatischen Beschwerden mittels Selbstberichte der Probanden beurteilt.

In Studie I fanden die Forscher eine negative Korrelation zwischen den BDNF-Protein-Konzentrationen im Haar und dem Haar-Cortisol sowie zwischen Haar-BDNF und somatischen Beschwerden, während die Haar-Cortisol-Konzentrationen positiv mit psychischen Belastungen korrelierten.

In der Studie II fanden die Forscher eine negative Korrelation zwischen der H4-Histon-Acetylierung am BDNF-Gen-P4-Promotor und somatischen Beschwerden.

Mit der Studie III bestätigten die Forscher die Ergebnisse der Studie I und fanden niedrigere Haare-BDNF-Protein-Pegel bei Freiwilligen mit hohen somatischen Beschwerden, die auch von höheren psychischen Belastungen während einer Prüfungssituation berichteten.

Die Ergebnisse zeigen, dass BDNF-Proteinspiegel im abgeschnittenen Haar nachgewiesen werden können, die mit somatischen Beschwerden und Stress im Leben assoziiert sind.

Darüber hinaus haben die Forscher festgestellt, dass ausgezupfte Haare für das Studium der epigenetischen Veränderungen in von Stress betroffenem Gewebe herangezogen werden kann.

Diese beiden Quellen könnten sich für künftige Studien über psychosomatische Beschwerden sowohl unter experimentellen als auch in der Praxis als wertvoll erweisen.

Hier geht es zur Originalveröffentlichung.

 

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