Montag, 23. Oktober 2017

Alkohol am Steuer: Unfallrisiko sinkt in komplexen Situationen

Wir alle wissen: Alkohol am Steuer erhöht das Unfallrisiko. Das gilt auch für niedrig dosierten Alkohol. Allerdings offensichtlich nur in scheinbar einfachen Verkehrssituation. Wird die Situation komplexer und damit unübersichtlicher, kompensieren leicht alkoholisierte Fahrer den Einfluss des Alkohols dadurch, dass sie in solchen Situationen langsamer fahren als nüchterne Fahrer. Ihr Unfallrisiko sinkt deshalb auf Normalwerte.


Weltweit ist Alkohol immer noch eine der wesentliche Ursachen für Verkehrsunfälle. Dabei wurde ein deutlich dosisabhängiges Unfallrisiko in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien gefunden. Eine große Anzahl von Laboruntersuchungen hat die Wirkung von Alkohol auf verschiedenste Informationsverarbeitungsfähigkeiten von Fahrern untersucht.

Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Alkoholwirkung tritt schon bei niedrigen Blutalkoholkonzentrationen auf und nimmt mit der Komplexität der Aufgabe zu. Allerdings passieren die meisten Unfälle unter Alkoholeinfluss typischerweise in "einfachen" Situationen mit zwei Fahrzeugen, weniger oft in komplexen Situationen, wie beispielsweise an Kreuzungen. Das könnte daran liegen, dass die subjektive Beurteilung der Verkehrssituation und die Anpassung des Verhaltens unter Alkoholeinfluss eine wichtige Rolle bei der Unfallursache spielen.

Prof. Dr. Mark Vollrath
Um diese Hypothese zu untersuchen, haben Forscher aus Braunschweig zwei Fahrsimulatorstudien mit 0,5 g/l im Blut der Probanden durchgeführt, wobei entweder zwei Gruppen (Alkohol oder Placebo; n = 48, Experiment 1) oder drei Gruppen (nüchtern, Placebo oder Alkohol; Experiment 2) in zwei kritischen Szenarien getestet wurden:

  • Das erste Szenario war eine scheinbar leichte Verkehrssituation und sollte zu einem entspannten Fahrverhalten unter Alkohol führen.
  • Das zweite Szenario beinhaltete eine komplexe Kreuzungssituation, bei der insbesondere Fahrer unter dem Einfluss von Alkohol versuchen sollten, sich zu konzentrieren und die Alkoholwirkung zu kompensieren.
In beiden Szenarien erschien ganz plötzlich ein kritisches Objekt, und der Fahrer musste schnell reagieren, um einen (simulierten) Unfall zu vermeiden.

Mehr Crashs in einfachen Verkehrssituationen

Insgesamt unterstützen die Ergebnisse der aktuellen Studie die Hypothese der Forscher: Unfälle waren im einfachen Szenario bei alkoholisierten Fahrern häufiger als bei Fahrern, die nur glaubten, Alkohol getrunken zu haben (Placebo), und bei nüchternen Fahrern.

Weniger Crashs in komplexen Situationen

Nicht aber in komplexen Situationen. Die Fahrgeschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs beim Eintritt in das Szenario scheint bei der Unfallursache eine große Rolle zu spielen. Fahrer, die unter dem Einfluss von Alkohol stehen, senken in komplexen Szenarien ihre Geschwindigkeit, möglicherweise um der Alkoholwirkung entgegenzuwirken. In scheinbar einfachen Szenarien erscheint dies für sie offensichtlich nicht notwendig, und die stimulierende Wirkung von Alkohol trägt hier wohl dazu bei, insgesamt schneller zu fahren.

Eingehende Analysen von realen Unfällen wären jetzt ein interessanter nächster Schritt, um die Ergebnisse der Studie weiter zu untermauern.

Hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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