Mittwoch, 18. April 2018

Lärm verursacht Vorhofflimmern

Wenn Lärm uns quält, kommt unser Herz aus dem Tritt. Und dieser Umweltlärm nimmt offensichtlich zu. Speziell der besonders lästige Fluglärm. Dass es schick ist, den Mitarbeiter aus dem mittleren Management wöchentlich über den Atlantik zum Kunden zu schicken, dass es inzwischen geradezu lebensnotwendig erscheint, bis zu dreimal im Jahr sich die Südseesonne auf den überfüllten Pansen scheinen zu lassen, rächt sich jetzt: Es macht uns krank.

Höhepunkte

  • Lärmbelästigung ist ein häufiges Phänomen in der Allgemeinbevölkerung.
  • 84% der extrem belästigten Personen auf der gesamten Belästigungsskala waren tagsüber von Fluglärm belästigt.
  • Lärminduzierte Belästigung ist "dosisabhängig" mit Vorhofflimmern verbunden.
  • Lärminduzierte Belästigung kann einen wichtigen kardiovaskulären Risikofaktor darstellen.

Hintergrund

Belästigung ist eine häufige Reaktion in Bevölkerungsgruppen, die Umgebungslärm ausgesetzt sind. Frühere Studien konnten zeigen, dass Lärmbelästigung Herz-Kreislauf-Erkrankungen bewirken kann.

Forscher aus Mainz haben jetzt in einer aktuellen Studie erstmals untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und Vorhofflimmern besteht.

Methoden und Ergebnisse

In den Jahren 2007 bis 2012 wurden Querschnittsdaten von 14.639 Teilnehmern der Gutenberg-Gesundheitsstudie erhoben. Die individuellen Belästigungen durch Straßenverkehrs-, Flug-, Eisenbahn-, Industrie- und Baulärm bei Tag oder/und bei Nacht wurden von allen Teilnehmern im Test mittels Fragebogen erhoben.

Vorhofflimmern wurde über eine selbst berichtete Anamnese und/oder durch Dokumentation von Vorhofflimmern im Elektrokardiogramm (EKG) beurteilt.

80% der Studienteilnehmer fühlten sich bis zu einem gewissen Grad genervt. Die Hauptverursacher von Lärm bei Tag und zur Schlafenszeit waren Flugzeuge, Straßenverkehr und Nachbarschaftslärm. Die Forscher fanden signifikante Assoziationen zwischen Belästigung und Vorhofflimmern für

  • Fluglärmbelästigung während des Tages und während des Schlafes
  • Lärmbelästigung durch Straßenverkehrslärm während des Schlafes
  • Lärmbelästigung durch Umgebungslärm tagsüber und während des Schlafs
  • industrielle Lärmbelästigung während des Tages
  • Lärmbelästigung durch Eisenbahnlärm während des Schlafes.
Verschiedene Grade der Belästigung waren dabei nicht mit Veränderungen der kardiovaskulären Risikofaktoren verbunden.

Diskussion

Die Ergebnisse deuten zum ersten Mal darauf hin, dass Lärmbelästigung mit Vorhofflimmern assoziiert ist. Weitere Studien sind jetzt notwendig, um einen Einblick in die Mechanismen zu erhalten, die der Beziehung zwischen Lärm, Belästigung und Krankheit zugrunde liegen.

Einblicke ins Thema

Die wichtigste Botschaft des Berichts der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die globale Bewertung der Krankheitslast durch Umweltrisiken lautet: "Schätzungsweise 12,6 Millionen Todesfälle pro Jahr sind auf ungesunde Lebensräume zurückzuführen, was bedeutet, dass 23% aller weltweiten Todesfälle mit der Umwelt verbunden sind. Wie andere Formen der Umweltverschmutzung gehört auch die Umweltlärmbelastung zu den Umweltgefahren und spielt eine wichtige Rolle in ihrer Beziehung zu ungünstigen gesundheitlichen Folgen. Die WHO schätzt, dass in den westeuropäischen Ländern jedes Jahr fast 1 Million Lebensjahre aufgrund von Lärm verloren gehen, während lärmbedingte Belästigungen 587.000 verlorene Lebensjahre ausmachen.

Zwei Wege sind es, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können: Der direkte Weg zeichnet sich durch die direkte subkortikale Interaktion zwischen dem zentralen auditorischen System und anderen Regionen des zentralen Nervensystems als Reaktion auf sehr hohe Schallpegel aus.

Der indirekte, nicht-auditive Pfad wird durch die kognitive Verarbeitung des Geräusches vermittelt, gefolgt von einer kortikalen Aktivierung, die zu emotionalen Reaktionen wie Belästigung führt. Auf diesem Weg wirkt die negative Wahrnehmung des Geräuschpegels als psychosozialer Stressor und aktiviert selbstregulierende Mechanismen einschließlich des sympathischen und neuroendokrinen Systems. Die nachfolgenden Erhöhungen des Blutdrucks und der Herzfrequenz, der Glukose- und Lipidspiegel und der Blutviskosität sind einige Beispiele für der Auswirkungen dieses Weges.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl auf der kortikalen als auch auf der subkortikalen Ebene ein Lärm zu kardiovaskulären Erkrankungen führen kann. In ähnlicher Weise wurde gezeigt, dass chronischer Stress per se mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert ist.

Demnach ist die Belästigung mit Umgebungslärm mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden, insbesondere mit arteriellem Bluthochdruck und ischämischer Herzerkrankung (Durchblutungsstörungen). Außerdem haben Forscher zuvor gezeigt, dass Lärmbelästigung stark mit Depressionen und Angstzuständen verbunden ist. Da Belästigungen emotionalen Stress widerspiegeln, was auch ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Vorhofflimmern ist, war das Ziel der hier vorgestellten Studie deshalb, den Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und Vorhofflimmern in der populationsbasierten Gutenberg Health Studie (GHS) zu untersuchen.

Hier und hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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