Donnerstag, 31. Mai 2018

Warum HIV-Positive eine medizinische Behandlung oft erst gar nicht beginnen

Vor allem die befürchtete Stigmatisierung und die damit einhergehende Verstoßung sind die Hauptgründe, warum Menschen, die mit HIV leben, keine medizinische Behandlung beginnen. Patienten, die sich subjektiv gesund fühlen, assoziieren darüberhinaus die dann notwendige antiretrovirale Therapie mit Krankheit und sorgen sich um Nebenwirkungen dieser Therapie. Die Patienten fürchten sich zudem vor Änderungen in ihrem Lebensstil.

Eine systematische Übersichtsarbeit einer Internationaler Forschergruppe mit deutscher Beteiligung behandelte jetzt die Frage, warum Menschen, die mit HIV leben, keine antiretrovirale Behandlung beginnen, was zu unnötiger übermäßiger Morbidität, Mortalität und viraler Übertragung führt. Da Länder dazu übergehen, alle Patienten, die mit HIV leben, bei dieser Diagnose zu behandeln, wird es entscheidend sein, die Gründe für die Nichteinleitung der Rherapie zu verstehen.

Methoden

Die Forscher führten dazu eine systematische Überprüfung der qualitativen Literatur über die Gründe für die Nicht-Initiation der antiretroviralen Therapie in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen durch. Sie haben 1376 Titel, 680 Abstracts und 154 Volltextberichte von englischsprachigen qualitativen Studien gesichtet, die zwischen Januar 2000 und April 2017 veröffentlicht wurden.

Prof. Dr. Dr. Till Bärnighausen Foto: Universitätsklinikum Heidelberg
20 dieser Studien erfüllten die Kriterien für die Aufnahme in die Metastudie. Ihre Analyse umfasste drei Schritte.

  • Zuerst verwendeten die Forscher einen "thematischen Synthese" -Ansatz, der Faktoren identifizierte, die häufig in verschiedenen Studien zitiert wurden.
  • Zweitens führten sie eine induktive theoretische Kartierung durch und entwickelten ein Erklärungsmodell für die Entscheidung von Patienten, antiretrovirale Behandlung zu beginnen (oder nicht zu beginnen)
  • Drittens haben die Forscher dieses Modell genutzt, um Möglichkeiten zu erkennen, einzugreifen.

Ergebnisse

Faktoren auf der Nachfrageseite, die bei Entscheidungen, die antiretrovirale Behandlung nicht zu starten, beteiligt waren, waren folgende:

ein (subjektiv) gesundes Gefühl

geringe soziale Unterstützung

sexuelles Verhalten

HIV-Stigmatisierung

Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Absichten in Handlungen.

Faktoren auf der Angebotsseite waren folgende:

  • hohe Kosten für die Suche nach Hilfe
  • Bedenken in Bezug auf Vertraulichkeit
  • mangelhaftes Gesundheitssystem
  • Empfehlungen für den Lebensstil
  • unvollständige Kenntnisse über Behandlungsvorteile.
Die Forscher entwickelten ein Erklärungsmodell und stellten fest, dass kontextuelle Faktoren die Kosten und den Nutzen von antiretrovirale Behandlung bestimmen. Patienten nehmen diesen Kontext (durch kognitive und emotionale Bewertungen) wahr und entwickeln daraus die Absicht, mit der Behandlung entweder zu beginnen oder nicht. Diese Absicht kann dann (oder auch nicht) in Handlungen umgesetzt werden.

Schlussfolgerungen

Menschen, die mit HIV leben, berichten über übereinstimmende Gründe dafür, warum sie eine antiretrovirale Behandlung nicht begonnen haben. Gegenmaßnahmen, die diese Faktoren berücksichtigen, sind deshalb, so die Forscher, entscheidend für den künftigen Erfolg von HIV-Behandlungsstrategien. Zukünftige Interventionen könnten dabei folgende sein:

  • die Lücken in der Behandlungskompetenz in Gemeinden und beim Gesundheitspersonal angehen
  • die Gefahr der Stigmatisierung auf Patienten- und Gemeinschaftsebene ansprechen
  • die Verminderung von Schädigungen durch die Gesundheitssystemstrategien fördern
  • die wirtschaftlichen Belastungen der antiretrovirale Behandlung verringern
Hier und hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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