Montag, 29. Oktober 2018

Ernährung in der EU: exportierte Klimasünden

Die Fußabdrücke für den Lebensmittelverbrauch der einzelnen EU-Ländern fällt erheblich unterschiedlich aus, wobei sich die Schätzungen zwischen 610 und 1460 kg CO2-Äquivalenten pro Kopf und Jahr bewegen. In diese Schätzungen fließen die Treibhausgas-(THG)-Emissionen der Primärproduktion der Lebensmittel, des internationalen Handels dieser Produkte und der Landnutzungsänderungen ein, die mit ihrer Produktion einhergehen. Dabei ist der Anteil der tierischen Produkte an der Ernährung der wichtigste Faktor, der den Fußabdruck des Lebensmittelkonsums dominiert. Aber auch die Landnutzungsänderungen bei Importen von Nahrungsmitteln spielen eine große Rolle. Der Übergang zu mehr pflanzlichen Ernährungsweisen hätte daher ein hohes Potenzial zur Minderung des Klimawandels.

Die weltweite Nahrungsmittelproduktion steht vor großen und durchaus widersprüchlichen Herausforderungen: Einerseits muss die steigende Nachfrage einer stetig wachsenden Bevölkerung befriedigt, andererseits die damit einhergehenden Umweltauswirkungen, wie etwa die Treibhausgasemissionen, die den Klimawandel verursachen, reduziert werden.

Nahrungsmittelsysteme sind weltweit für etwa 19 bis 29% der gesamten anthropogenen THG-Emissionen verantwortlich und haben daher auch ein großes Potenzial für die Eindämmung des Klimawandels.

Die EU-Länder verlagern durch Importe von Nahrungs-Produkten weit mehr Umweltbelastungen in den Rest der Welt als der Rest der Welt in die EU. In der EU liegt der Importanteil des gesamten Nahrungs- und Futtermittelangebots an pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen zwischen 70% im Falle von Malta und Luxemburg und weniger als 20% im Falle von Polen und Rumänien. Ein großer Teil der Importe wird jedoch innerhalb der EU gehandelt. Der Anteil der Importe von außerhalb der EU beträgt dagegen durchschnittlich nur etwa 16% (zwischen 6 und 30%).

Die Treibhausgas-Fußabdrücke der EU-Nahrungsmittelversorgung liegen zwischen 1460 kg CO2-Äq. für Portugal bis 610 kg CO2-Äq. für Bulgarien, mit einem EU-weiten Durchschnitt von 1070 kg CO2-Äq. Die Emissionen beziehen sich dabei auf den direkten Verzehr von Lebensmitteln und das Futter, das zur Herstellung der verzehrten Tierprodukte benötigt wird. (Die Emissionen im Zusammenhang mit Futtermitteln, die im Tierproduktverbrauch enthalten sind, tragen etwa 37% zu den Gesamtemissionen bei.)

Fermentationsprozesse (14-30%, EU-Durchschnitt 22%) und die Güllewirtschaft (15-25%, EU-Durchschnitt 22%) sind wichtige Emissionsquellen, gefolgt von anorganischem (8-26%, EU-Durchschnitt 14%) und organischem (2- 6%, EU-Durchschnitt 3%) Düngemittelverbrauch. Die Emissionen aus dem internationalen Handelsverkehr machen dagegen nur etwa 6% der Emissionen aus (3-20%).

Nicht-CO2-Emissionen dominieren dabei das Bild und tragen im Durchschnitt über 60% der Gesamtemissionen bei.

Die Emissionen, die auf Landnutzungsänderungen zurückzuführen sind, liegen im Durchschnitt bei 30% der Emissionen (mindestens 17% in Lettland, höchstens 43% in den Niederlanden).

Der Fleisch- und Eierkonsum hat in allen EU-Ländern den größten Anteil an den Emissionen von Nahrungsmitteln und liegen zwischen 49% und 64% (EU-Durchschnitt 56%), gefolgt von Milchprodukten mit 16-36 % der Emissionen aus der Nahrungsmittelversorgung (EU-Durchschnitt 27%).

Der direkte Verbrauch von Getreide, Reis und Mais macht 2-8% der Emissionen aus (EU-Durchschnitt 4%), Getränke und Stimulanzien sowie der Verzehr von Pflanzenölen für Nahrungsmittel im Durchschnitt jeweils weniger als 5%.

Die meisten Emissionen aus Produktion und Handel der EU-Nahrungsmittel werden durch den Konsum inländischer Produkte oder Importe aus anderen europäischen Ländern verursacht (EU-Durchschnitt 64%). Lateinamerika ist mit durchschnittlich 25% die zweitwichtigste Importregion, gefolgt von Asien (EU-Durchschnitt 7%) und Afrika (EU-Durchschnitt 3%).


Die Dominanz der heimischen Produktion und des Intra-EU-Handels an den Emissionen erklärt sich damit, dass die meisten der in der Studie ausgewiesenen Emissionen mit dem Verbrauch tierischer Produkte zusammenhängen. Tierische Produkte werden aber in der EU in der Regel in nahe gelegenen Ländern hergestellt, wohingegen nichttierische Nahrungsmittel aber auch Futterpflanzen aus weiter entfernten Regionen kommen.

Siebzig Prozent der Landnutzungsänderungs(LUC)-Emissionen betreffen die Futtermittelproduktion, insbesondere Sojabohnen, die in den in der EU konsumierten tierischen Erzeugnissen enthalten sind.

Lateinamerika ist die wichtigste Region, die LUC-Emissionen nach Europa exportiert. Ungefähr 76% der gesamten LUC-Emissionen der EU-Länder beziehen sich auf Importe von Pflanzenölen und Ölsaaten, hauptsächlich Sojabohnen, und 13% auf Importe von Getränken und Stimulanzien, insbesondere Kaffee. Nur ein kleiner Anteil, nämlich weniger als 1% der LUC-Emissionen der Verbraucher in der EU, ist auf die Ausweitung der Weideflächen im Zusammenhang mit dem Verzehr tierischer Erzeugnisse, hauptsächlich Rindfleisch, zurückzuführen.

Obwohl der internationale Handel zur Effizienz der globalen Ressourcennutzung beitragen kann, hat der zunehmende Trend des Welthandels den weltweiten Ressourcenverbrauch nicht verringert. Die entwickelten OECD-Länder verdrängen vielmehr weiterhin Umweltbelastungen in Nicht-OECD-Länder, was beobachtbar ist, wenn die Bilanzierung auf Verbrauch statt auf Produktion ausgerichtet ist.

Im Rechnungslegungsrahmen dieser internationalen Studie mit deutscher Beteiligung aus steigt die verbrauchsbezogene Buchführung im Vergleich zur produktionsbasierten Buchhaltung um mehr als 40 % der EU-Emissionen. Dies liegt hauptsächlich daran, dass bei der produktionsbasierten Buchführung Emissionsquellen wie Landnutzungsänderungen und internationaler Handel ausgeschlossen sind.

Gegenwärtig sind etwa 17% der Treibhausgasemissionen in der EU mit dem Verbrauch von Nahrungsmitteln verbunden, was fast der gleichen Menge entspricht wie die im Wohnungsbau (22%) und nur etwas weniger als die im Mobilitätssektor (30%).

Der Lebensmittelsektor bietet daher ein wichtiges Potenzial für den Klimaschutz, wenn Treibhausgasemissionen mit weniger emissionsintensivem Verbrauch und mit insgesamt geringerer Produktion gesenkt werden.

Hier und hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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