Mittwoch, 5. April 2017

Langsames Streicheln steigert sexuelles Verlangen

Für das Wohlgefühl, das Streicheln in uns auslösen kann, hat die Evolution ganz spezielle Nervenzellen entwickelt, die nichts anderes machen und können, als Berührungen gefühlsmäßig einzuordnen. Die Geschwindigkeit der Streichelbewegung entscheidet darüber, wie stark das Wohlgefühl sich in uns ausbreitet – wie stark sich erotische Vorstellungen und sexuelles Verlangen dabei aufbauen.

Unmyelinisierte niederschwellige Mechanorezeptoren - die sogenannten C-taktilen (CT) Nervenzellen - spielen eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung von Streicheln und angenehmen Berührungsempfindungen und tragen wesentlich zum Konzept der erotischen Berührungs-Wahrnehmung bei.

Ziel einer aktuellen Studie aus Deutschland, Holland und Schweden war es, die Beziehungen zwischen sexuellem Verlangen und sexueller Aktivitäten auf der einen Seite und der Wahrnehmung der von CT Nervenzellen vermittelten Körperberührung auf der anderen Seite zu untersuchen.


Siebzig gesunde Teilnehmer, 28 Männer und 42 Frauen im Alter von 18 bis 36 Jahren unterzogen sich einer standardisierten und kontrollierten Streichelstimulation, die sich in der Höhe der CT-Nervenfaserstimulation, herbeigeführt durch Veränderung der Streichelgeschwindigkeit, unterschieden. Dabei wurden die für die CT-Stimulation optimalen Geschwindigkeiten von 1, 3 und 10 cm/s ausgeführt sowie suboptimale 0,1, 0,3 und 30 cm/s.


Die Teilnehmer bewerteten die wahrgenommenen angenehmen Empfindungen, die Erotik und die Intensität der angewandten taktilen Stimulation auf einer visuellen Analogskala, füllten das "Sexual Desire Inventory" aus und beantworteten Fragen über die sexuelle Wirkung der Berührungen.

Die Bewertungen der wahrgenommenen Erotik der Berührung korrelierten deutlich mit dem in Selbst-Berichten vermerkten Pegel der sexuellen Lust und sexuellen Erregung.


Durch Streicheln hervorgerufene Wohlgefühle einerseits und die Bewertung der von ihm ausgelösten erotischen Gefühle andererseits zeigten eine ähnliche Abhängigkeit von der Streichelgeschwindigkeit, die wiederum mit der Aktivierung von CT-Nervenzellen übereinstimmte.


Dabei war allerdings die Korrelation zwischen der erotisch empfundenen Berührungswahrnehmung und dem sexuelle Verlangen bei Männern und Frauen unterschiedlich.

Bei Frauen korrelierten Unterschiede in der Erotik-Bewertung zwischen CT-optimalen und CT-suboptimalen Geschwindigkeiten positiv mit dem Wunsch nach sexueller Interaktion.

Im Gegensatz dazu korrelierte dieser Unterschied bei Männern mit einer verminderten Häufigkeit sexueller Aktivitäten und einer längeren Dauer der partnerschaftlichen sexuellen Aktivitäten.

Die vorliegenden Ergebnisse legen die Grundlage für zukünftige Forschung, die diese Korrelation bei Patienten mit spezifischen Beeinträchtigungen der sexuellen Funktion nutzen könnten. Die Stärke der Studie ist die Kombination von standardisierten neurophysiologischen Methoden und Verhaltensdaten. Eine klare Einschränkung des Studiendesigns war allerdings der Ausschluss exakter Daten über den weiblichen Menstruationszyklus und die Rekrutierung einer inhomogenen Stichprobe, was die sexuelle Orientierung betrifft.

Die vorliegenden Ergebnisse liefern einen weiteren Beweis dafür, dass unmyelinisierte CT-Nervenzellen eine Rolle in dem komplexen Mechanismus der erotischen Berührungs-Wahrnehmung spielen. Die Fähigkeit, zwischen CT-optimalen und -suboptimalen Reizen zu unterscheiden, korreliert mit sexuellem Verlangen und sexueller Leistung auf geschlechtsspezifische Weise.


Hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

Dass es diese C-taktilen Nervenzellen überhaupt gibt, ist erst seit 2002 bekannt. Sie übertragen ihre Reize ans Gehirn, wie das auch andere Nervenzellen in der Haut tun, die auf Druck, Schmerz und Temperatur reagieren – aber deutlich langsamer als diese. Erst etwa zwei Sekunden später "feuern" die CT-Nerven. Die einen liefern also die schnellen "Fakten", die anderen die entsprechenden Gefühle hinterher.

Sozial lebende Lebewesen, wie der Mensch, brauchen solche "Gefühlsnerven", um damit den Zusammenhalt des Verbandes zu stabilisieren. Getriggert durch Wohlfühl-, Vertrautheits- und Vertrauen aufbauende Nervenimpulse.

Fünf Zentimeter pro Sekunde ist die optimale Geschwindigkeit, mit der Streichelbewegungen diese Rezeptoren am optimalsten erregen können. Eine Mutter streichelt ihrem aufgebrachten Kind in genau dieser Geschwindigkeit "beruhigend" über den Rücken.

Werden Menschen oder Tiere gestreichelt, baut das Stress ab, und die Produktion von antidepressiven Stoffen im Gehirn, wie Serotonin und Dopamin, wird angekurbelt.

Es sei denn "Mr. Wrong" ist es, der streichelt oder unaufgefordert zu lange berührt ...

 

Foto: kammersystole / pixelio.de

 

 

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