Mittwoch, 10. Februar 2016

DNA: mit einem Klick farblich markiert

Neue Methode der DNA-Farbstoffmarkierung

Mithilfe einer Klick-Reaktion gelang es jetzt Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie erstmals, DNA-Moleküle im Zuge einer enzymatischen Synthese in der 2'-Position der Ribose-Einheit mit einem Fluoreszenzfarbstoff zu markieren.

 

Die Markierung von DNA und RNA mit Fluoreszenzfarbstoffen ist nach wie vor ein Forschungsschwerpunkt - nicht nur auf dem Gebiet der DNA-Synthese sondern auch in der Zellbiologie. Speziell die "natürliche" Synthese von farbstoffmarkierten Nukleotiden mit entsprechenden DNA-Polymerasen wird inzwischen mehr und mehr erprobt. Dabei haben sich die sogenannten bioorthogonalen Reaktionen - Reaktionen also, die nicht mit der biologischen Matrix wechselwirken - und unter diesen die "Klick"-Reaktionen als besonders geeignet erwiesen.

Trotz ihrer Bioverträglichkeit finden diese aber vor allem in der automatisierten und rein chemischen Oligonukleotid-Synthese Anwendung. In dieser werden keine Nukleosid-Triphosphate miteinander verkettet, sondern die reaktiveren Nukleosid-Phosporamidite. Mithilfe aggressiver Chemikalien und unter alles anderen als bioorthogonalen Bedingungen müssen dabei bei jedem Kettenverlängerungsschritt Schutzgruppen gelöst und neue Bindungen geknüpft werden. Und anschließend steht noch die Oxidation des Phosphors im Molekül an. Dass solche "robusten" Reaktionbedingungen auch noch den Einbau von Farbstoffmarkern in die DNA-Kette ertragen, verwundert deshalb wenig.

Suche nach biokompatibler Farbstoffmarkierung

Anders ist das aber bei der biochemischen Variante der DNA-Synthese, die bei viel milderen Bedingungen ablaufen muss.

Inzwischen gelingt aber auch das. Aber wirklich ausreichend gut nur dann, wenn Farbstoffmarkierungen an der Nukleinbase im Molekül des Nukleotids ansetzen. Häufig versagt dagegen die enzymatische Synthese mit Nukleotiden, die am Zuckermolekül farbmarkiert sind. Das gilt vor allem für Modifikationen an der 2'-Position des Moleküls. Was wenig verwundern kann, ist doch im DNA-Molekül die Desoxyribose - das D in der DNA - verbaut, die am Kohlenstoffatom in der 2'-Position nur ein Proton trägt.

DNA-Baustein oder RNA-Baustein?

Jeden Baustein mit einer Substitution des H-Atoms an dieser Stelle ordnet aber eine "gescheite" DNA-Polymerase als RNA-Baustein ein und verhindert deshalb ordnungsgemäß den Einbau dieses "Fremdkörpers" in die DNA-Kette.

Dass mit einem Trick solche enzymatischen Reaktionen trotzdem funktionieren, beweist eine Arbeit, die jetzt am Arbeitskreis von Professor Dr. Hans-Achim Wagenknecht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erfolgreich beendet wurde. Zurückgreifen konnten die Forscher am KIT dabei auf Erfahrungen aus einer früheren Arbeit, in der ihnen die Kopplung eines Propargyl-Restes an die 2'-O-Position eines Uracil-Ribose-Phosphoramidits gelungen war. Dieser modifizierte Baustein konnte mit anderen Bausteinen zu einem Oligonukleotid verkettet und anschließend mit dem Azid eines Fluoreszenz-Farbstoffes in einer Klickreaktion farbmarkiert werden.

Die Derivatisierung solcher Nukleotide an der 2'-Position der Zuckereinheit hat den Vorteil, dass die Nukleinbase dabei ungehindert mit ihrer Gegenbase - im Falle des Uracils mit Adenin - in Kontakt treten kann, was eine Hybridisierung der DNA-Kette mit seinem komplementären Strang ermöglicht. Und diese Doppelhelix mit solchen 2'-modifizierten Bausteinen an Bord hat eine mit einer DNA, die ausschließlich aus natürlichen Nukleotiden besteht, vergleichbare thermische Stabilität. Ein weiterer Vorteil der 2'-Substitution: Das Farbstoffmolekül kommt bei der Bildung der Doppelhelix in der sogenannten kleinen Furche zu liegen, eine im Gegensatz zur sogenannten großen Furche enge und flache Rinne, die sich um die DNA-Kette windet. Insgesamt stört das Farbstoffmolekül in dieser Position die normalen Interaktionen der Nukleinbasen offensichtlich ganz besonders wenig.

Die vier 2'-Propargyl-Nukleosid-Triphosphate (pNTP) für die Versuchsreihen synthetisierten die KIT-Forscher aus den entsprechenden Propargyl-Nukleosiden: In Gegenwart des Protonenschwammes, 1,8-Bis(N,N-dimethylamino)naphtalin, der die Dreifachbindung des Propargyl-Restes vor der Hydrochlorierung durch die Salzsäure im Ansatz schützen soll, wurde das Nukleosid mit Phosphoroxychlorid und anschließend mit Pyrophosphat zum Triphosphat phosphoryliert.

Nur Polymerase-Mutanten führen zum Ziel

Das erste so gebildete pNTP, das Wagenknecht in einer enzymatischen DNA-Synthese ausprobieren ließ, war das 2'-O-Propargyl-Uridin (pUTP). Dazu wurde ein DNA-Strang mit 35 Bausteinen mithilfe eines Primers aus 23 Nukleotiden in Gegenwart einer Polymerase, pUTP und den anderen drei "natürlichen" NTP dupliziert.

Dabei erwies sich die Wahl der DNA-Polymerase als entscheidend. Denn diese musste erlauben, was "gescheite" DNA-Polymerasen nicht zulassen dürfen: Sie musste Nukleotide akzeptieren, die in der 2'-Position nicht nur ein Proton tragen, wie das in der DNA nun einmal gefordert ist, sondern eine andere funktionelle Gruppe. Dies kann aber nur mit Mutanten von DNA-Polymerasen gelingen, denen das "steric gate", eine Struktur in der Eiweißkette, abhanden gekommen ist, die nur einer Desoxyribose Platz bietet.

Die vier Mutanten, die sogenannten Therminator-Mutanten (Therm I bis IV), einer DNA-Polymerase von E. coli erwiesen sich dabei als geeignet, zunächst die pUTP und in weiteren Versuchen auch die anderen pNTP für den Einbau in die wachsende DNA-Kette zu akzeptieren. Jedoch verarbeiteten die vier Mutanten die "falschen" Bausteine unterschiedlich gut.

Nil-Rot liefert den Beweis

Boten die Forscher den mutierten Polymerasen ausschließlich die natürlichen dNTPs (Desoxy-NTPs) an, war die Synthese des komplementären Stranges nach 45 Sekunden abgeschlossen. Ein „falscher“ DNA-Baustein im Ansatz verlängerte dagegen die Reaktionszeit auf mehrere Stunden. Fehlte in einem Kontrollversuch einer der vier natürlichen Bausteine im Ansatz, lief der Kopiervorgang zwar bis zum Ende durch, es kam aber zu einem Fehleinbau an der entsprechenden Stelle in der DNA-Kette. Die Reaktionszeit für eine solche fehlerhafte Kette war dabei deutlich kürzer als die Zeit, die es brauchte, um ein pNTP neben den anderen drei natürlichen dNTPs einzubauen. Diese verlängerte Reaktionszeit lieferte deshalb den Karlsruher Forschern ein erstes Indiz dafür, dass der Einbau des pNTP gelungen war.

Einen endgültigen Beweis brachte dann aber der postsynthetische Schritt einer Cycloaddition. Die Dreifachbindung im Propargylrest reagiert dabei mit einem Farbstoffazid.

Wagenknechts Leute entschieden sich für das Nil-Rot-Azid, das zusammen mit Cu-Ionen und Ascorbinsäure in einer DMSO-Lösung mit der modifizierten DNA zur Reaktion gebracht wurde. Danach beobachteten sie bei verschiedenen Wellenlängen: Dort, wo die grüne Bande im Polyacrylamidgel zu sehen war - sie stammte vom am Primer gekoppelten Fluorescein - erschienen im Verlaufe der Klick-Reaktion schließlich auch rot fluoreszierende Banden. Diese bewiesen, dass im fertigen DNA-Produkt wirklich eine Dreifachbindung vorhanden gewesen sein musste, und sie zeigten den KIT-Forschern, dass sich die 2'-Position erfreulicherweise doch für die Anlagerung von Farbstoffmarkern an DNA-Einzelsträngen eignet.

Diese 2'-O-propargylierten Nukleoside und ihre Überführung in die entsprechenden Nukleosid-Triphosphate könnte damit ein weiteres wertvolles Verfahren im Methoden-Arsenal der DNA-Analytik, der Histologie und der Biologie der Körperzellen werden.

Die Dreifachbindung (im oberen grünen Rechteck) des 2'-O-Propargyl-Nukleosid-Triphosphats reagiert in einer Cycloaddition mit der Azidgruppe eines Farbstoffazids (unteres grünes Rechteck). Diese Reaktion erfüllt die Kriterien einer Klick-Reaktion: eine "Eintopf"-Umsetzung mit hoher Ausbeute bei Normalbedingungen. Diese kann im Sonderfall auch bioorthogonal sein.

Grafik: Stubenrauch

 

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