Montag, 22. Februar 2016

Gegen Fouling mit Polysacchariden

Mit Polysacchariden gegen Fouling

Hydrogele aus Hyaluronsäure oder Chondroitinsulfat hemmen erfolgreich das Anhaften von Proteinen und Meeresorganismen an Schiffsrümpfen.

Auf 200 Milliarden Dollar taxieren Fachleute den jährlichen Verlust, den die Schifffahrt aufgrund von Fouling (engl.: marine biofouling) erfährt. Und gleichzeitig ächzt die Umwelt unter dem jährlichen zusätzlichen Ausstoß von 250 Millionen Tonnen CO2, die der Bewuchs auf den unter Wasser liegenden Schiffswänden verursacht. Weil dieser den hydrodynamischen Widerstand des Schiffes erhöht - und damit auch den Kraftstoffverbrauch um bald ein Drittel.

 

Dabei sind es längst nicht nur Miesmuscheln, Seepocken, Krebse und Grünalgen, die deutlich sichtbar die Schiffsrümpfe aussehen lassen wie alte Wale. Nein, zunächst sind es Bakterien, Blaualgen und Kieselalgen, die schon innerhalb weniger Stunden anhaften und Makromoleküle absondern, die eine schleimige Substanz bilden, einen geschlossenen sogenannten „Biofilm“. Diesen Vorgang nennt man Mikrofouling. Ihm folgt das Makrofouling, zunächst das "weiche", das von Seeanemonen, Korallen und Schwämmen dominiert wird, dann das "harte" Makrofouling: Larven von Miesmuscheln, Seepocken und anderen Krebstieren, die nach wochenlanger Seereise im Plankton ihre Saugnäpfe ausfahren oder sich mit der sogenannten Muschelseide an festen Oberflächen festweben, um für den Rest ihres Lebens sesshaft zu werden.

 

Giftige Anstriche inzwischen verboten

 

Sie sind es, die die Schiffsrümpfe im Laufe weniger Monate rauh und scharfkantig machen. Und sie waren die Garanten dafür, dass "Kielholen" damals ein Todesurteil war.

Die ersten Versuche der Moderne, diesen Schädlingen wirtschaftlichen Wachstums Herr zu werden - nach relativ anständigen Methoden der Antike, die ihre Holzschiffe mit Blei- oder Kupferplatten oder -nägeln zu schützen versuchten - fielen wie so oft unter die Kategorie "den Teufel mit dem Beelzebub austreiben". Tributylzinnhydrid kam da zum Beispiel zum Einsatz, ein starkes Gift. Diese Chemikalie wurde inzwischen, wie andere Schwermetallverbindungen auch, wegen zu starker Umweltbelastung verboten.

Heute versucht man mit Nanokompositlacken dem Fouling Herr zu werden. Auch spezielle, extrem glatte Silikonoberflächen sollen das Aufwachsen mariner Lebensformen verlangsamen.

Von der Uni Mainz stammt ein Verfahren, das Schiffsrümpfe mit Lacken schützt, die Nanopartikel aus Vanadinpentoxid enthalten. Diese Partikel katalysieren die Umsetzung von aus im Meerwasser vorkommendem Wasserstoffperoxid mit Bromionen zu hypobromiger Säure. Diese Substanz ist für viele Meeresorganismen hochtoxisch. Insgesamt soll diese Methode die Umwelt aber nur wenig belasten.

 

Hydrogele schützen Oberflächen

 

Noch umweltfreundlicher sollen Substanzen sein, die stabile Hydrogele auf Oberflächen ausbilden. Bislang sind dafür Polymere aus Ethylenglykol das Mittel der Wahl. Allerdings werden diese relativ schnell abgebaut und verlieren dabei nach und nach ihre schützende Wirkung. Polyzucker mit ähnlich vielen OH-Gruppen im Molekül sind deshalb inzwischen die neuen aussichtsreicheren Kandidaten der Antifouling-Forschung.

An der Alginsäure, einem sauren Polysaccharid, das den Zellwänden von Algen Struktur verleiht und bei der Gewinnung von Jod aus diesen Meerespflanzen als Nebenprodukt anfällt, erkannte man aber schnell, dass Meerwasser auch solchen Polymeren nicht gut tut: Die Calciumionen im Wasser wechselwirken nämlich mit den Carboxylgruppen im Molekül. Dabei lagern sich die Polyzucker zu einer Struktur zusammen, die wegen ihres Aussehens Eierschachtel-Modell genannt wird. Das Hydrogel, das die Alginsäure aufgrund ihrer vielen OH-Gruppen gebildet hat, bricht dabei zusammen: In einem Prozess, der Synärese genannt wird, trennen sich die Komponenten des Gels - wie etwa bei der Milch die Molke vom Käse.

Mit diesem Vorwissen machte sich Stella Bauer, Diplom-Chemikerin am Institut für Angewandte Physikalische Chemie der Uni Heidelberg an zwei andere saure Polysaccharide heran: die Hyaluronsäure und das Chondroitinsulftat. An Schiffsrümpfen sollten diese das machen, was sie auch in den Gelenken unseres Körpers tun: eine Unmenge von Wasser binden und dabei ein sehr stabiles Hydrogel bilden, das selbst die stärksten Stöße dämpft. Es sollte - auf Schiffsrümpfe aufgetragen - auch die Lust von Muschel- und Krebslarven und vielen Einzellern dämpfen, sich in diesem "Wackelpudding" einzunisten.

 

Chondroitinsulfat aus Haifischhaut

 

Die Hyaluronsäure hat ihre hervorragenden Eigenschaften als "Oberflächenversiegelung" schon in medizinischen Dialyse-Geräten bewiesen. Das Chondroitinsulfat aber wurde auf seine Antifouling-Qualitäten bislang noch nicht getestet. Obwohl es in jener schleimigen Substanz vorhanden ist, die Fischhaut so klitschig macht und sie so vor Umwelteinflüssen schützt. Für Bauer machte dies das Chondroitinsulfat zu einem weiteren aussichtsreichen Kandidaten.

Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat sind beides Glykosaminoglykane und sind beide aus Ketten eines Disaccharids aufgebaut. Bei der Hyaluronsäure sind das die Glucuronsäure und das N-Acetyl-Glucosamin. Im Chondroitinsulftat ist das N-Acetyl-Glucosamin durch das N-Acetyl-Galaktosamin ersetzt. Zusätzlich sind bei ihm Sulfatgruppen im Molekül, die in 6- oder 4-Stellung die OH-Gruppen des N-Acetyl-Galaktosamins verestern.

Neben diesen beiden natürlichen Polyzuckern testete Bauer auch zwei Varianten dieser Biopolymere, deren Carboxylgruppen sie mit "Kappen" aus Trifluorethylamin maskierte.

Damit wollte sie zum einen den bei der Alginsäure bekannten Angriff von Calciumionen verhindern, und zum andern wollte sie mit den hydrophoben "Kappen" einen amphiphilen Charakter in das ursprünglich nur hydrophile Polymer bringen, von dem sie sich einen zusätzlichen Abstoßungseffekt auf andere Polymere und Organismen versprach.

 

Kopplung der Polymere an silanierte Oberflächen

 

Die Kopplung der Polysaccharide an die gegen Fouling zu schützende Oberfläche erfolgte über eine durch ein Carbodiimid aktivierte Carboxylgruppe an die zuvor silanierte Oberfläche. Die mit den vier Substanzen geschützten Oberflächen wurden nacheinander mit verschiedenen Proteinen, mit dem Meeresbakterium Cobetia marina, mit Sporen der Grünalge Ulva linza und Zellen der Kieselalge Navicula incerta in Kontakt gebracht.

Ergebnisse: Die natürlichen Polyzucker konnten alle Proteine sehr erfolgreich abweisen, wobei die negativ geladenen Proteine, wie Pepsin und Fibrinogen, aufgrund von Abstoßungseffekten ganz besonders schlecht an die negativ geladenen Oberflächen anhaften konnten.

Obwohl ein Teil dieser negativen Ladungen durch TFEA neutralisiert waren, zeigten auch die modifizierten Glycosaminoglycane dieselben guten Werte. Diese Proteinabweisung ist ein wichtiger Marker für die Qualität solcher Schutzfilme. Das ließ Bauer hoffen, dass diese "maskierten" sauren Polysaccharide auch gegen die Meeresorganismen erfolgreich sein würden. Was sich als richtig erweisen sollte - und nicht nur das: Die TFEA-maskierte Hyaluronsäure konnte sämtliche Organismen im Test noch deutlich erfolgreicher abwehren als schon die unveränderte Hyaluronsäure.

Im Falle des Chondroitinsulfats verhielt es sich umgekehrt: Die naturbelassene Variante war der mit TFEA-Kappen versehenen Spezies in fast allen Belangen überlegen.

Worauf das im Einzelnen zurückzuführen ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Bis dahin kann festgehalten werden, dass die sauren Polysaccharide im Test aufgrund ihrer Biokompatibilität, ihrer Hydrophilie und ihrer chemischen Modifizierbarkeit geeignete Kandidaten für "Anstriche" der von Meerwasser umspülten Oberflächen zu sein scheinen.

Sie können zudem relativ kostengünstig aus Haifischhaut beziehungsweise aus Hahnenkämmen sowie ähnlichen biologischen Ressourcen gewonnen werden.

Vielleicht halten diese Glycosaminoglykane im Bereich Fouling ja das, was man sich von ihnen im Bereich der Arthrose-Behandlung einst versprochen hatte.

Fouling in seiner malerischsten Ausprägung. Solche "blinden Passagiere" kosten die Schifffahrt jährlich Milliarden.

Foto: Bärbel selbst / pixelio.de))

 

Mithilfe eines O2-Plasmas wird die Oberfläche mit OH-Gruppen versehen. Aminopropyltrimethoxysilan (APTMS) dockt an die OH-Gruppen an. Die Polysaccharide werden in 4-(2-Hydroxyethyl)-piperazin-1-ethansulfonsäure (HEPES) gelöst, mit N-Hydroxysuccinimid (NHS) und 1-Ethyl-3-(3-dimethylaminopropyl)-carbodiimid (EDC) aktiviert und an die silanierte Oberfläche gekoppelt. TFEA greift anschließend die aktivierten Carboxylgruppen des Polysaccharids an.

Grafik: Uni Heidelberg

 

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