Säure erhöht Ausbeute in Peptidsynthese
Ein kleiner aber feiner Trick aus dem Universitätsklinikum in Heidelberg könnte die Festphasen-Peptidsynthese jetzt auch für Peptide mit Asparaginsäure im Molekül interessant machen, die sich bisher wegen der unerwünschten Aspartimid-Entstehung als ungeeignet erwiesen haben.
Die Zukunft der Medizin soll eine patientenspezifische sein. Auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Medikamente bedeutet dies - und speziell die Herstellung kurzkettiger Peptide, die günstigstenfalls nur noch aus dem Chemophor eines Enzyms bestehen, oder aus dem Epitop, der Antigen-Erkennungsstelle, eines Antikörpers. Diese Hinwendung zum Minimalismus ist im vorliegenden Fall nicht jenem blinden Forscherehrgeiz geschuldet, der sich an anderer Stelle rühmt, einen Apfel in ein leckeres Vitaminpräparat herunterdestillieren zu können. Nein. Hier ist er notwendig, denn nur selten wirken Proteine ohne diese Verschlankung in ausreichendem Maße, weil die pharmakokinetischen Kennzahlen solcher großer Eiweißstrukturen aufgrund des hohen Molekulargewichtes oft schlecht sind. Erst Peptide mit einem Molekulargewicht unterhalb von 500 Da kommen ungehindert, in ausreichender Menge und schnell dort an, wo sie ihre Wirkung entfalten können.
Außerdem haftet den großen, den originalen Eiweißkörpern der Nimbus der »Genmanipulation« an, weil oft nur die Gentechnik sie in den benötigten Mengen aus »genmanipulierten« Organismen gewinnen kann. Und werden sie dann doch einmal aus »unmanipulierten« Tieren extrahiert, sind allergische Reaktionen auf Nebenprodukte nicht auszuschließen.
Proteinsynthese als Königsweg
Bleibt nur noch die Synthese dieser Eiweißstoffe direkt aus den Aminosäuren. Aber sinnvoll sind solche Synthesen nur für Peptide mit deutlich weniger als 200 Bausteinen, weil mit jeder Kettenverlängerung sich zusätzliche Fehler einschleichen können. Was schließlich zu nicht akzeptablen Ausbeuten führen und das Verfahren unwirtschaftlich machen würde.
Für die »neue« Medizin solcher Kurzketten-Peptide wird wohl die Peptid-Synthese zum Mittel der Wahl - und der Königsweg die Festphasen-Synthese (SPPS; Solid Phase Peptide Synthesis). Vollautomaten übernehmen das inzwischen, aber auch »per Hand« ist eine SPPS von weniger gut ausgestatteten Labors oder Produktionsstätten zu bewerkstelligen.
Synthesefehler durch Asparaginsäure
Einer der Schönheitsfehler der SPPS, die den Synthetikern das Leben schwer machen, ist die Aspartimid-Entstehung, die dann droht, wenn Asparaginsäure ins Peptid eingebaut werden muss. Diese Aminosäure hat eine zusätzliche Carboxylgruppe im Molekül, die im Ringschluss mit der Aminogruppe im eigenen Molekül ein Aspartimid bilden kann.
In der Standardsynthese, der Fmoc-basierten SPPS (Fmoc-SPPS), bei der die Aminofunktion der neu hinzukommenden Aminosäure durch die Umsetzung mit Fluorenylmethyloxycarbonylchlorid vor einer ungewollten Kupplungsreaktion geschützt ist, kann das unerwünschte Aspartimid mit einer Ausbeute von 80 Prozent entstehen. Bei dem Oberflächenantigen des Hepatitis-B-Virus PreS9-33-y, zum Beispiel.
Der Ringschluss entsteht in dem Augenblick, in dem eine Piperidin-Lösung die Peptidbindung zur Schutzgruppe Fmoc löst, um die Aminofunktion für den nächsten Kupplungsschritt freizugeben.
Viele weitere Peptide zeigen ähnliche unbefriedigende Ausbeuten.
Finger weg von solchen schwierigen Synthesen, bedeutet das oft, oder man versucht mit aufwendigen Varianten der Standardsynthese diesem Problem zu Leibe zu rücken. Mit oft nur mäßigem Erfolg:
So kann etwa Hmb (2-Hydroxy-4-Methoxybenzol) das zweite Wasserstoffatom der mit Fmoc bereits geschützten Aminofunktion zusätzlich vor Angriffen abschirmen. Dieses Konstrukt zeigt jetzt allerdings nur noch wenig Kupplungsneigung. Deshalb müssen die Chemiker hier auf Dipeptide als Synthese-Bausteine zurückgreifen.
Backbone-Schutzgruppe für Asparaginsäure
Der Goldstandard zur Vermeidung von Aspartimiden ist zur Zeit aber die Einführung einer sogenannten Backbone-Schutzgruppe. Sie blockiert nicht die End- oder Seitenketten-Gruppen sondern die Peptidkette selbst und dockt dort an die -NH-Funktion (Amidgruppe) der Peptidbindung an.
Eine Dicyclopropylmethyl-Gruppe (Dcpm), etwa.
Sie entsteht durch Reaktion des Dicyclopropylmethanimin-Hydrochlorids mit der Peptidkette und - dieser nicht unähnlich - sitzt dort auf, wie eine Fliege auf dem Kehlkopf eines Frackträgers, dem sie so den Atem nimmt, wie das Dcpm der Asparagin-Seitenkette die Möglichkeit, sich zu einem Fünfring zusammenzurollen.
Spätestens jetzt begreift man, dass die Vorstellung, ein Peptid entsteht aus seinen Aminosäuren, ziemlich blauäugig war. Die Kochvorschrift ist um viele lästige Arbeitsschritte komplizierter. Und so muss an dieser Stelle der Proteinsynthese statt einer Asparaginsäure ein Fmoc-Asp(OtBu)-(Dcmp)Gly-OH-Monster her. Das aber auch nur, wenn nach Asp ein Gly folgen soll. Folgt aber eine der zwei Hände voll anderer Aminosäuren, muss andernfalls das entsprechende backbone-geschützte Dipeptid ran.
Chemikalienproduzenten und -händler freut das, denn wohl kein Peptidsynthese-Labor wird diese komplizierten, mit mehreren Schutzgruppen versehenen Aminosäurebausteine selber herstellen wollen.
vier Asparaginsäuren im Hepatitis-B-Antigen
Das von den Heidelbergern benutzte Modellpeptid Hepatitis-B-Oberflächenantigen, PreS9-33-y, ein Peptid aus 26 Aminosäuren, hat allein vier Asparaginsäuren im Molekül. Das bedeutet, dass die Dipeptide Asp-D-Tyrosin, Asp-Tryptophan, Asp-Histamin und Asp-Prolin mit den oben aufgeführten Schutzgruppen versehen kommerziell bezogen werden müssten, um dieses Molekül ohne störende Nebenreaktionen aufbauen zu können.
Tillmann Michels, Rudolf Dölling, Uwe Haberkorn und Walter Mier am Heidelberger Universitätsklinikum haben für die Synthese dieses Peptids zwei andere, herkömmliche Ansätze gewählt und mit ihrer neuen Variante der SPPS verglichen:
- (1) die Standardmethode mit Fmoc als Schutzgruppe der Aminofunktion (Fmoc-SPPS); Baustein: Fmoc-Asp.
- (2) Die Standard-Fmoc-SPPS mit zusätzlicher Schutzgruppe an der Asp-Carboxylgruppe; Baustein: Fmoc-Asp(OMpe)-OH.
- (3) Die Standard-Fmoc-SPPS mit 5%iger Ameisensäure in der Piperidin-Lösung.
Das Ergebnis war überzeugend: Während in (1) 81 Prozent Aspartimide entstanden - und in (2) immerhin noch 50 Prozent, reduzierte die Säure in (3) den Aspartimid-Anteil auf 13 Prozent.
Mehrere Säuren verhindern Aspartimid
Neben Ameisensäure erwiesen sich auch HOBt (Hydroxybenzotriazol) und Nitrophenol als genauso wirksam. Ebenso HFIP (Hexafluoroisopropanol), das allerdings nur in höheren Konzentrationen gute Wirkung zeigt.
Ungeeignet dagegen sind anorganische Säuren, weil sie mit Piperidin schwerlösliche Salze bilden. Auch Zitronensäure und Oxalsäure kommen nicht infrage, weil sie Präzipitate mit den Peptiden entwickeln.
Fazit: Diese einfach zu realisierende, durch Säure modifizierte Standard-Fmoc-SPPS könnte den umständlichen und teuren aktuellen Goldstandard mit backbone-geschützten Asp-Dipeptiden künftig ablösen.
Die Entstehung von Aspartimiden, die bei der Synthese von Asparaginsäure enthaltenden Peptiden oft das Hauptprodukt sind, können erheblich eingeschränkt werden, wenn der zur Abspaltung der Schutzgruppen zugeführten Piperidin-Lösung eine 5 %ige Säure zugesetzt wird.
Grafik: Stubenrauch
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