Sonntag, 7. Februar 2016

Koffein aus der Natur oder dem Reagenzglas?

Koffein: Kohlenstoff-Isotope verraten seine Herkunft

An der Uni Duisburg-Essen wurde jetzt ein schnelles und einfaches Verfahren vorgestellt mit dem ohne aufwendige Probenaufbereitung synthetisches offein von offein aus natürlichen Quellen unterschieden werden kann.

1685 eröffnete das erste Wiener affeehaus und brachte schnell das Getränk in Mode, das aus dem önigreich affa, dem heutigen Äthiopien, stammte und dort im 9. Jahrhundert der Sage nach nicht nur die Ziegen, die die affeekirschen fraßen, nächtelang wachhielt, sondern bald auch jene Hirten, die das merkwürdige Verhalten ihrer Tiere richtig interpretiert und gelernt hatten, diesen Wachmacher aus den Samen dieser irschen zu brauen. akao, das Geschenk des Gottes Quetzalcoatl an sein Volk, die Azteken, brachten die onquistadoren nach Europa, nicht viel später kam dann der erste Tee aus Südchina zu uns.


Bis zum Jahr 1929 mussten dann aber die Deutschen warten, bis neben diesen so »göttlich-königlichen« wie elitären Produkten eine vierte Koffeinquelle hier ihren Siegeszug beginnen konnte: Coca-Cola. Richtig »demokratisch« wurde diese Quelle bedauerlicherweise aber erst 26 Jahre später. 1987 eroberte dann Red Bull die Techno-Szene und bereitete vielen koffeinhaltigen Nachahmerprodukten den Markt, die zu diesem Zeitpunkt in Asien schon lange bekannt waren.

Wunderdroge Koffein

Ein unübersichtlicher Massenmarkt ist das seitdem, auf dem viel Geld zu verdienen ist. Eine Menge neuer Studien entlasteten zudem Koffein von dem lange gehegten Verdacht, dass es für verschiedene Herzkrankheiten verantwortlich wäre. Das Gegenteil scheint inzwischen allgemein akzeptierter Stand des Wissens zu sein. Und seitdem hat Koffein eher den Nimbus einer leistungsfördernden Wunderdroge, die - so die allerneueste Meldung von diesem Monat - sogar langfristig den Blutdruck senken soll.
Auch dies wird den Absatz noch einmal puschen, in einem Getränkemarkt, in dem der Konsum alkoholhaltiger Getränke seit Jahren deutlich rückläufig ist. Und ganz aktuell könnten neue Hiobsbotschaften aus dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung die Preisphantasien im Markt noch mehr beflügeln: Bestäuberprodukte wie Kaffee oder Kakao könnten langfristig global im Preis weiter steigen, heißt es dort, und weist damit auf den weltweit dramatischen Rückgang der Honigbienenpopulationen hin.

Koffein aus dem Reagenzglas

Seit mehr als hundert Jahren kann Koffein synthetisch hergestellt werden. Meist über die Traubesche Synthese, die in mehreren Schritten aus Chloressigsäure und Harnstoff entsprechende Purinderivate entstehen lässt. Und spätestens seit Coca-Cola konkurriert deshalb das Naturprodukt aus Kaffeebohnen, Tee- und Mateblättern sowie aus Samen der Guarana, einer Lianenart aus dem Amazonasbecken, mit dem Syntheseprodukt aus industriellen Anlagen.

Koffein gleich Koffein!?

Koffein ist Koffein, so what?, könnte man fragen. Mit Recht!? Der Kunde zumindest scheint das Naturprodukt dem synthetischen vorzuziehen, wohl, weil er dies mit den positiv besetzten Begriffen "biologisch-dynamisch" und "ökologisch" in Verbindung bringt. Und ganz ungnädig reagiert er dort, wo zwar »Koffein aus natürlichen Quellen« draufsteht, aber synthetisches drin ist. Und dass der Fall »Koffein ist Koffein« tatsächlich komplizierter liegt, verraten uns die Biochemiker. Im Guarana beispielsweise ist das Koffein an verschiedene Gerbstoffe gebunden - Ähnliches gilt auch für das Koffein aus Teeblättern -, was zur Folge hat, dass sich das Koffein, um wirksam zu werden, aus diesen Verbindungen erst lösen muss. Was wiederum zur Folge hat, dass das Zeitfenster, in dem diese Koffeinquelle wach und fit hält, mit vier bis sechs Stunden viel größer ist als etwa bei Kaffee.

Analytik gegen Betrug

Weil das synthetische Produkt zudem billiger und ohne großen Aufwand herzustellen ist, muss der Markt, um Missbrauch auszuschließen, kontrolliert werden.
Im Arbeitskreis von Dr. Maik Jochmann am Institut für Instrumentelle Analytische Chemie der Universität Duisburg-Essen, das von Prof. Dr. Torsten Schmidt geleitet wird, wurde jetzt eine Analytik entwickelt, mit deren Hilfe sich schnell, einfach und kostengünstig synthetisches Koffein von Koffein aus natürlichen Quellen unterscheiden lässt. Dazu trennten die Forscher zunächst die verschiedenen Inhaltsstoffe des koffeinhaltigen Getränks mittels einer Hochtemperatur-Flüssigchromatographie in einer Umkehrphasen-Säule (HT-RPLC: high-temperature reversed-phase liquid chromatography) voneinander. Und leiteten die Koffeinfraktion anschließend an ein Massenspektrometer weiter, in dem die Isotopen 13C und 12C im Koffein ermittelt wurden (IRMS: Isotope ratio mass spectrometry). Diese verbindungsspezifische Isotopenanalyse (CSIA: compound-spezific isotope analysis) brachte hochgenaue Messwerte innerhalb von 15 Minuten, ohne dass vorher eine Aufbereitung der Proben notwendig war.

Trennung an XBridge C18 Säulen

Getrennt wurde an und in den Nanopartikeln einer XBridge C18 Säulen, deren feste Phase aus einem Polyethoxysilan-Gerüst besteht, das zusätzlich mit Kohlenwasserstoff-Schwänzen versehen ist. Dieser unpolaren "Umkehr"Phase stehen als mobile Phase eine polare wässrige Lösung gegenüber, die auch bei extremen pH-Werten dem Säulenmaterial nichts anhaben kann. Auch hohen Temperaturen und hohen Drücken hält das Material stand.
"Auch nach den etwa 800 Injektionen in vier Monaten zeigte die Säule keinerlei Ermüdungserscheinungen", so Jochmann.
Die besten Ergebnisse wurden dabei bei 80 Grad Celsius und einer Flussrate von 0,5 ml/min erzielt, an Säulen mit einem Durchmesser von 2,1 mm.

Ein Isotopenstandard aus der Kreidezeit

Aus den Messwerten wurde das Isotopenverhältnis von 13C zu 12C berechnet und zu einem Standard in Beziehung gesetzt. Eine Aussage über die Herkunft des Koffeins lässt dabei der sogenannte δ-13C-Wert zu. Dieser Wert bestimmt die Abweichung des Isotopenverhältnisses der Probe von dem des sogenannten Pee-Dee-Belemnite-Standards (PDB) nach folgender Formel:
δ-13C = [(13C/12C)Probe - (13C/12C)Standard] / (13C/12C)Standard.
Diese dimensionslose Größe wird meist in Promille angegeben. In den allermeisten Fällen ist der Wert negativ, was bedeutet, dass das Isotopenverhältnis der Proben niedriger ist als das Isotopenverhältnis des Standards. Dieser Standard stammt von einem marinen Fossil der Kreidezeit, Belemnitella americana, das in der Pee Dee Formation (einer Sand-Tonerde-Kalkstein-Formation der Kreidezeit) in South Carolina (USA) gefunden wurde.
Der δ-13C-Wert des PDB-Standards ist definitionsgemäß null, der Wert (13C/12C)Standard ist 0,0112372 (oder 11,2372 Promille).

42 koffeinhaltige Proben im Test

Die Messungen der Koffeinfraktionen der insgesamt 42 Proben im Test ergaben δ-13C-Werte, die zwar von - 25 bis -38 Promille variierten, sich erfreulicherweise aber in zwei gut unterscheidbare Fraktionen trennen ließen: -25 bis -32 Promille (in diesem Bereich fanden sich ausnahmslos nur Koffeinproben aus sogenannten C3-Pflanzen, also Koffein natürlichen Ursprungs) und -33 bis -38 Promille (in dieser Fraktion landeten alle synthetischen Koffeinproben).

Photosynthese diskriminiert das 13C-Isotop

Wie aber sind diese unterschiedlichen Isotopenverhältnisse zu erklären? Schuld ist die Photosynthese, denn diese sorgt für eine messbare Fraktionierung der Isotope des atmosphärischen Kohlendioxids. Denn das Enzym, das die Fixierung des CO2 an ein Trägermolekül mit fünf C-Atomen katalysiert, zieht das leichtere 12CO2 dem etwas schwereren 13CO2 vor, was zu einer Verarmung an 13C in allen von der Pflanze synthetisierten Produkten führt – mit δ-13C-Werten jenseits von -25 Promille. Pflanzen, die auf diese Weise Kohlendioxid mithilfe von Wasser und Sonnenlicht zu Kohlenhydraten reduzieren, nennt man C3-Pflanzen, weil bei der Fixierung von CO2 an Ribulose-1,5-Bisphosphat diese fragile Anordnung schnell in zwei stabile C3-Verbindungen, in 3-Phosphoglycerate (3-PGA), zerfällt und Ausgangspunkt des Calvin-Zyklus wird, in dessen Verlauf schließlich die Zuckermoleküle entstehen.
Koffein natürlichen Ursprungs stammt ausnahmslos aus solchen C3-Pflanzen. Die Quelle synthetischen Koffeins dagegen ist in der Regel Erdöl, das offensichtlich deutlich negativere δ-13C-Werten aufweist.

Premiere in Nahrungsmittel-Analytik

Die an der Uni Duisburg-Essen für Koffein entwickelte Hochtemperatur-Chromatographie in Umkehrphasen-Säulen mit anschließender Messung des Isotopenverhältnisses im Massenspektrometer ist nach Aussage ihrer Entwickler der erste Einsatz dieser Technik in der Nahrungsmittel-Analytik. Weitere Einsätze sind dort überall auch denkbar, wo die zu messende Substanz in Lösung zu bringen ist. Und könnte so die sehr leistungsfähige CSIA weiter vorantreiben helfen, weil eine teure und aufwändige Probenaufbereitung dabei entfällt.

Reiner Honig – ein Produkt aus C3-Pflanzen

In vielen Bereichen ist die Isotopenanalyse die letzte Hoffnung, gegen Betrügereien im Lebensmittelsektor überhaupt noch etwas ausrichten zu können. Spätestens seit Honig zu Kampfpreisen aus China - oft hochbelastet mit Umweltgiften - nicht nur den europäischen Markt zuzukleistern drohte, sondern auch gewinnbringenden "Umetikettierungen" Tür und Tor zu öffnen drohte, hilft die Isotopenanalytik diese Missstände recht erfolgreich aufzudecken. Denn Honig, der ausschließlich aus Nektar von C3-Pflanzen entsteht, lässt sich schnell von Produkten unterscheiden, die mit Zucker aus C4-Pflanzen "gestreckt" wurden. Zuckerrohr und Zuckerrüben gehören zu diesen C4-Pflanzen, die im Gegensatz zu C3-Pflanzen gelernt haben, die CO2-Aufnahme ins Blattinnere von der Photosynthese zeitlich oder/und örtlich zu trennen. Die Vorfixierung an die C4-Verbindung Äpfelsäure gibt ihnen den Namen. Diese Vorfixierung verhindert weitgehend eine Diskriminierung des schwereren CO2, was sich im Isotopenverhältnis niederschlägt, das hier niedrigere negative Werte zeigt als die C3-Pflanzen.

CSIA entlarvt gezuckerte Spätlesen

Auch in der Weinanalytik gehören die δ-13C-Werte zu einem ganzen Strauß von Messwerten, die zusammen nicht nur die Rebsorte und das Anbaugebiet des Produktes erkennen können, sondern auch, ob eine Spätlese nur durch eine Packung Haushaltszucker aus einem billigen sauren Wein »gezaubert« wurde, oder ob sie doch durch eine lange natürliche Verdunstung des Wassers in den Früchten unter einer warmen Herbstsonne herangereift ist.
Vier Proben entlarvten die Forscher aus Essen schließlich als Etikettenschwindel.
Dass man aber mit guter Analytik Betrug nicht verhindern kann, sondern bestenfalls nur eindämmen, liegt wohl in der Natur der Sache »Mensch«. Sie kann deshalb immer nur einen zeitlich vorübergehenden Erfolg bringen. Denn dieser Mensch ist einfallsreich.
Und man darf gespannt sein, wann gute Analytik wird beweisen können, ob die Kaffeebohnen des Kopi-Luwak, für die Traumpreise gezahlt werden, nur weil sie aus Katzenkot geklaubt werden müssen, wirklich jemals das Innere eines Katzendarmes gesehen haben.
Vielleicht ist davon ja auch dann wieder aus Duisburg-Essen zu berichten.
Koffeinhaltige Getränke werden in der Gastronomie immer beliebter.
Quelle: Stubenrauch))

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