Mittwoch, 26. Oktober 2016

Die Liebe gibt es seit zwei Millionen Jahren

Liebe: Die richtige Wahl zu treffen, ist nicht einfach. Dating Portale können heute bei der Partnerwahl helfen.

Foto: Oliver Thaler / pixelio.de
Doch der Traum vom Traummann kann sich schnell wieder in Luft auflösen.

Und weil das so ist, leben seit Generationen Poeten, Dramatiker und Autoren von der Umsetzung dieses Themas.

Dem Thema Nr. 1 schlechthin: die Liebe.

Neben diesen "Traumverkäufern" fragen sich derweil die "Realitätsverkäufer", sprich unsere Wissenschafter, ob es auch objektive Gründe gibt, wen wir lieben oder nicht. Bruchteile von Sekunden, wissen Forscher längst, genügen für den ersten Eindruck. Schon dieser lässt vielen Kandidaten keine (zweite) Chance.

Ist es das Aussehen, das Outfit oder der Blick?

Bevor die Signale vom Unbewussten ins Bewusstsein dringen, ist das Urteil längst gefallen. Hat der Kandidat die erste Hürde genommen, ist aber noch längst nicht alles gut.

Mimik Gestik und Stimme.

Aus den ersten Minuten eines belanglosen Gesprächs lässt sich schon einiges ableiten:

Herkunft, Bildung, Interesse, auch der Klang der Stimme.

Ist diese zweite Hürde überwunden, folgt die dritte Prüfung:

Wird sie ihn riechen können?

Im Geruch sind Botschaften verborgen, die im Gehirn bestimmte Reaktionen hervorrufen und unbewusst zu einem weiteren Urteil führen. Passt er wirklich zu mir? Der Duft wird geprägt durch jene Gene, die eine Rolle in der individuellen Immunabwehr spielen. Diese variieren von Mensch zu Mensch sehr stark, und je unterschiedlicher sie sind, je unterschiedlicher der Geruch zum eigenen ist, desto mehr fühlen wir uns zu diesem Menschen hingezogen.

Foto: Steffi Pelz / pixelio.de
Unterscheiden sich die Immunsysteme der Liebespartner deutlich voneinander, so wird der gemeinsame Säuglingen ein insgesamt stärkeres Immunsystem haben als seine Eltern. Das ist ein Überlebensvorteil.

Deshalb wird Liebe zur Chefsache, und der Chef allen Lebens ist die Evolution.

Vierte Prüfung: der erste Kuss. Er verrät mehr als wir ahnen. Über den Speichel werden Stoffe ausgetauscht, die erstaunliches übermitteln:

Spezifische Charaktereigenschaften.

Foto: Jörg Brinckheger / pixelio.de
So fühlt ein Mann etwa, dass sie ein besonders mitfühlender Mensch ist. Von Forschern wird sie mit diesem Charakterbild als "Diplomatin" charakterisiert, einer von vier Liebestypen, die sie ausgemacht haben.

Die Leitchemikalie der Diplomatin ist Östrogen, das bei ihr in besonders hoher Konzentration vorliegt.

Freundlich, intuitiv, höflich. Sympathie und Flexibilität sind ihre hervorstechenden Merkmale.

Der zweite Liebestyp ist der Gründer,

Serotonin ist seine Leitchemikalie.

Beschrieben wird er als konventionell, ordnungsliebend, ein Mensch, der feste Regeln schätzt.

Zu einer Diplomatin passt ein Gründer nicht wirklich. Wegen der unterschiedlichen Weltanschauungen.

Kommen wir zum Entdecker.

Dopamin ist sein Lieblingsbotenstoff.

Er liebt den Reiz des Neuen, geht gerne Risiken ein, ist abenteuerlustig und kreativ.

Für eine Diplomatin ist er viel zu unstet.

Auch männliche Diplomaten haben hohe Östrogenspiegel, was sie für soziale Berufe prädestiniert.

Überraschung!: Diplomat mit Diplomat funktioniert auch nur schlecht. Sie verstehen sich zwar besonders gut, sie fühlen sich aber auf den ersten Blick nicht zueinander hingezogen.

Bleibt noch der "Wegbereiter".

Testosteron treibt ihn an.

Macht ihn analytisch, praktisch, direkt. Großes Durchsetzungsvermögen und logisches Denken zeichnen ihn aus.

Für Diplomatinnen ist er Mister Right.

Inzwischen sind diese wissenschaftlichen Erkenntnisse bis in den Industriezweig vorgedrungen, der Menschen gegen Geld verkuppeln will. Längst bieten sie deshalb auch Speicheltests für Liebespartner an.

Vorteil: Keine Frau muss mehr einen Frosch küssen, um zu wissen, ob ein Prinz in ihm schlummert.

Verliebte leben versunken in ihrer eigenen Welt. Ihr Kopf ist im wahrsten Sinne des Wortes verdreht. Dopamin hat die Regentschaft über ihren Verstand übernommen. Dieser Transmitter im Gehirn macht high und süchtig nach dem geliebten Menschen.

Glücklich, aber nicht alltagstauglich.

Verorten im Gehirn lässt sich diese Wirkung in ganz alten Bereichen, die dort schon seit zwei Millionen Jahren existieren. So lange soll es deshalb schon die Liebe geben, die also keineswegs eine Erfindung der Deutschen Romantik ist.

Die Liebe, so die Forscher, kam wohl mit dem aufrechten Gang ins Leben, der gleichzeitig mit einem schmaler werdenden Becken der Frauen einherging.

Die Folge waren ein engerer Geburtskanal bei gleichzeitiger Vergrößerung des Gehirns und damit des Kopfumfangs, was wiederum auf die jetzt energiereichere Nahrung zurückzuführen war (Stichworte: mehr Fleisch, gekochtes und deshalb leichter verdauliches Essen nach der Entdeckung des Feuers).

Die Babys kamen jetzt immer früher und unreifer zur Welt.

Weil sie keine andere Wahl hatten. Sonst hätten sie keine Chance mehr gehabt, durch den engen Geburtskanal zu gelangen.

Dieser frühgeborene und deshalb hilfsbedürftigere Nachwuchs bedurfte jetzt größerer Aufmerksamkeit und Pflege. Frau und Mann mussten sich verstärkt gemeinsam um ihn kümmern. Zudem mussten Frauen ihre Kinder nun auf dem Arm tragen. Ein Handikap etwa beim Sammeln von Früchten.

Damit wuchs die Abhängigkeit von den Männern. Neue Bindungsstrukturen entstanden.

Für Forscher war dies der Beginn der Liebe.

Eine enge Paarbeziehung war aber auch von Vorteil für den Mann.

Denn für Schutz und Fürsorge durfte er von ihr jetzt Treue erwarten. (In der Schule haben wir fälschlicherweise noch gelernt, dass die Institution der Ehe diesen Vertrag zwischen den Geschlechtern erstmals ausgehandelt habe).

Foto: Simone Hainz / pixelio.de
Nach und nach entwickelte sich so schon im Gehirn der Vorgängern von Homo Sapiens ein Cocktail aus Bindungshormonen. Speziell Dopamin und Oxytocin.

Doch der chemische Liebeszauber den dieser Cocktail aus dem Zylinder zieht, schützt die Liebe nur wenige Jahre. Er lässt genau so lange eine Verbindungen bestehen, wie die Mutter für die Erziehung des Kindes auf Hilfe angewiesen ist. Dann, glauben Wissenschaftler, seien die Paare wieder frei für eine neue (Liebes)Beziehung.

Fazit: Die Liebe beginnt im Gehirn, und sie dient der Fortpflanzung.

Bei verliebten spielen die Hormone wie gesagt verrückt. Es sinkt zum Beispiels der Serotoninspiegel. Serotonin aber kontrolliert den Informationsfluss im Gehirn. Deshalb spielt das Gehirn von Verliebten verrückt - wie das eines Neurotikers.

Verliebtsein ähnelt deshalb einer Zwangsneurose.

Nach dem Ende des Zirkus, den diese "Liebes"Hormone veranstalten, folgt Ernüchterung. Nichts ist mehr so, wie es einst war. Man schweigt sich an, die Schmetterlinge im Bauch haben sich längst verflogen.

Aber (besonders) Frau will sich damit nicht zufrieden geben.

Die Rettung naht: heiß gehandelt im Internet kommt die Rettung aus der Flasche:

Oxytocin als Nasenspray.

Dieses Hormon wird normalerweise im Hypothalamus produziert und in der Hypophyse gespeichert. Es wird besonders dann ausgeschüttet, wenn sich Menschen nahe sind. Bei engem Kontakt von Mutter und Kind beeinflusst es den Milchfluss. Eine Eigenschaft des Hormons, das es als Stillhormon bekannt machte. Es wirkt auch auf Teile des Gehirns, die das soziale Miteinander regeln und beeinflussen.

Es wird aber nicht nur durch Nähe ausgeschüttet, sondern fördert diese Nähe auch gleichzeitig. Eine Rückkopplung, die uns treu und zärtlich macht und Bindungen verstärkt. Es wird medizinisch zum Auslösen von Wehen eingesetzt.

Die Substitution per Nasenspray nützt aber auf Dauer nichts, weil die entsprechenden Rezeptoren im Gehirn erlahmen und die eigene Oxytocin-Produktion heruntergefahren wird.

In Krisensituationen scheinen Paare aber immerhin dazu geneigt zu sein, mit Oxytocin sich besser zuhören zu können und konstruktiveres Verhalten zu entwickeln als ohne dieses Hormon. Ja selbst gemeinsames Lachen ist in entsprechenden Tests vermehrt zu registrieren.

Foto: Jerzy Sawluk / pixelio.de
Obwohl der natürliche Oxytocin-Spiegel nach vier Jahren sinkt, bleiben viele Paare trotzdem zusammen - manchmal ein Leben lang . Aktiv sind bei diesen Paaren die selben Regionen im Gehirn wie bei frisch Verliebten: Dopamin beherrscht das Mittelhirn. Stetes Ankurbeln dieses Dopamins durch gemeinsames anregendes Erleben scheint dabei der Königsweg zu sein. Dabei entsteht als Belohnung Oxytocin zusätzlich in sozialen Bereichen des Gehirns, das bei frisch Verliebten dort nicht nachweisbar ist

Soweit der biochemische Rahmen in dem der Mensch als biochemisches Wesen lebt. Darüber spannt sich aber noch der intellektuell-kulturelle Überbau -

und darüber schwebt schließlich noch unser freier Wille,

den uns die Wissenschaft nach einem zwischenzeitlichen Entzug wieder zurückgegeben hat. Wir sind deshalb immer der Einzelfall, der sich in diesem Rahmen immer noch ziemlich frei einrichten kann.

Erst durch Beziehungen zu anderen werden wir zu uns selbst, auch wenn wir biomolekulare Wesen sind.

Wer es noch einmal in bewegten Bildern hören und sehen will, sei hier auf Lesch's Kosmos in der ZDF-Mediathek verwiesen.

 

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